Misoi und Gudeta Jubiläums-Champions in Frankfurt

Mit Topleistungen haben Brimin Misoi und Buzunesh Gudeta am gestrigen Sonntag die 40. Auflage des Mainova Frankfurt Marathon gewonnen. Der Kenianer, der früh erfolgreich die Vorentscheidung suchte, hatte lange Zeit sogar den Streckenrekord von Wilson Kipsang im Auge. Die Äthiopierin erzielte die zweite Siegerzeit unter 2:20 Stunden der Veranstaltungsgeschichte. Die beiden deutschen Hoffnungen Simon Boch und Miriam Dattke verpassten die Olympia-Limits bei nicht einfachen Bedingungen klar. Die beiden Top-Österreicher Mario Bauernfeind und Andreas Vojta erzielten persönliche Bestleistungen, verließen Frankfurt aber mit unterschiedlichen Emotionen.

© Mainova Frankfurt Marathon

Brimin Misoi wusste definitiv, was er im Rahmen der 40. Ausgabe des ältesten deutschen Stadtmarathons vorhatte. Obwohl im Vorfeld eher sein Landsmann Samwel Mailu oder der Äthiopier Guye Adola in die Favoritenrolle gesprochen und geschrieben wurden, wollte er seinen Vorjahressieg wiederholen und das schaffte er auf eine eindrucksvolle Art und Weise. Die Zwischenzeit beim Halbmarathon war noch nicht einmal erreicht, als der 34-Jährige sich das erste Mal um eine Tempoverschärfung bemühte. Kaum war die zweite Marathon-Hälfte eröffnet, versuchte er es ein zweites Mal und sein Vorhaben glückte. Zwar konnte Guye Adola einige Kilometer mit dem Kenianer mitgehen, doch immer wieder versuchte sich dieser zu lösen, was nach ungefähr zwei Drittel der Renndistanz auch gelang. Misois offensive Herangehensweise an den Wettkampf hatte sich früh gelohnt, das letzte Drittel wurde zum Triumphlauf für den 34-Jährigen.

RunAustria-Lesetipp: Der Frankfurt Marathon 2023 von Mario Bauernfeind und Andreas Vojta

Bauernfeind läuft Vojta den Rang ab

Dies liest sich wie die Beschreibung eines konservativen Rennens mit niedrigem Angangstempo, in dem ein Athlet früh einen gerissenen Geduldsfaden aufwies. Der Gegenteil war faktisch der Fall: Eine neunköpfige Spitzengruppe marschierte im für die Qualität des Feldes höchsten Tempo los, das führende Duo erreichte in Begleitung des letzten Tempomachers die Halbmarathon-Durchgangszeit nach 1:01:38 Stunden, eine vierköpfige Verfolgergruppe folgte mit siebensekündigem Rückstand. Misoi forcierte also in einem Rennen, übrigens weit entfernt von Idealbedingungen à la Berlin Marathon 2023, das auf die Verbesserung des Streckenrekords von 2:03:42 Stunden des ehemaligen Weltrekordhalters Wilson Kipsang ausgelegt war.

Brimin Misois Halbmarathon-Splits: 1:01:38 / 1:03:15 Stunden
Brimin Misois 5km-Teilzeiten: 14:32 / 14:34 / 14:43 / 14:41 / 14:28 / 14:33 / 14:45 / 15:27 / 7:10 (2,195 km) Minuten

Erstmals sub-2:05 seit zwölf Jahren in Frankfurt

Und Misoi blieb dran, bis zur Zwischenzeit bei Kilometer 35 erwartete die Prognose eine 2:03er Zeit. Der Marathon wäre freilich nicht der Marathon, würde sich ein Tick zu viel Offensive nicht in der Schlussphase noch gegenrechnen, insbesondere aufgrund des auffrischenden Windes. Misoi dürfte es egal gewesen sein, denn sein Polster nach hinten wurde deutlich größer, obwohl er sein rasantes Tempo von über 20,5 km/h in den letzten Minuten des Rennens deutlich nicht mehr halten konnte. Er quälte sich in die Festhalle, aber er biss mit Bravour durch und erreichte die dritte Siegerzeit der Veranstaltungsgeschichte unter 2:05 Stunden. Nämlich in 2:04:53 Stunden, vier Sekunden schneller als Kipsang bei seinem ersten Frankfurt-Sieg 2010. Nur im Jahr darauf wurde in der Mainmetropole schneller gelaufen, als der mittlerweile mit einer Dopingsperre belegte, ehemalige kenianische Spitzenläufer den Weltrekord seines Landsmanns Patrick Makau um die Winzigkeit von vier Sekunden verpasst hatte: 2:03:42 Stunden, bis heute unerreichter Streckenrekord. Misoi ist auch der erste Läufer seit Kipsang, der zwei Frankfurt-Siege in Folge feiern konnte.

Bis Kilometer 30 konnte Adola, Sieger des Berlin Marathon 2021, das Rennen um den Sieg offen halten, dann verlor er deutlich an Zeit und bis zum Ziel auch eine Position. Mulugeta Uma, 25-jähriger Läufer aus Äthiopien und im Februar Siebter beim Sevilla Marathon, überholte seinen Landsmann, um in einer Zeit von 2:06:47 Stunden den zweiten Platz zu belegen. Adola folgte fast eine Minute später.

© SIP / Johannes Langer

Schwieriges Rennen für die Favoritinnen

Im ebenfalls prächtig besetzten Elitefeld der Frauen entwickelte sich ein spannendes, aber mit Überraschungen übersätes Rennen um den Sieg. Eine neunköpfige Spitzengruppe erreichte die Zwischenzeit beim Halbmarathon in einer Zeit von 1:10:14 Stunden – womit die erste Rennhälfte deutlich konservativer gestaltet wurde als bei den Männern. Daher war es nicht überraschend, dass die Gruppe bereits wenige Kilometer später aufgrund einer Tempoverschärfung leicht zu zerbröseln begann. Die Ersten, die Probleme bekundeten, waren gleichzeitig die Favoritinnen. Visiline Jepkesho sollte am Ende immerhin noch auf Platz sieben ins Ziel kommen. Wie ihrem männlichen Pendant Samwel Mailu, der letztendlich bis auf Rang 15 zurückfiel, erwischte auch VCM-Siegerin Magdalyne Masai trotz der großen Ankündigungen im Vorfeld einen verbrauchten Marathon-Tag und erreichte das Ziel in der Festhalle in einer Zeit von 2:27:19 Stunden – acht Minuten hinter der Siegerin.

© SIP / Johannes Langer

Gudeta übertrifft ihre Erwartungen

Das Rennen an der Spitze des Frauenfeldes erlebte seine schnellste Rennphase zwischen Kilometer 20 und 35, wo mühe-, aber kraftvoll die Spreu vom Weizen getrennt wurde. Die Schlussphase des Rennens war eine einzige Dominanz der Äthiopierin Buzunesh Gudeta, die ab Kilometer 35 den Rest des Frauenfeldes düpierte. Die 26-Jährige, die als Vierte des Barcelona Marathon 2023 erst ein Laufresultat in der erweiterten Weltklasse aufweisen konnte, trotzte dem Gegenwind in der Schlussphase und steigerte ihre persönliche Bestleistung um über drei Minuten auf eine Zeit von 2:19:27 Stunden. Das ist eine Spitzenmarke und die zweitschnellste Siegerzeit der Veranstaltungsgeschichte hinter dem Streckenrekord von Valary Aiyabei 2019. „Ich hätte nie gedacht, dass ich eine solche Leistung bringen kann. Ich war noch nie so glücklich wie heute“, sagte die Siegerin. Die Basis für ihre Ausnahmeleistung lieferte ein enormer negativer Split von über einer Minute.

Buzunesh Gudetas Halbmarathon-Splits: 1:10:14 / 1:09:13 Stunden
Buzunesh Gudetas 5km-Teilzeiten: 16:38 / 16:56 / 16:35 / 16:31 / 16:14 / 16:09 / 16:18 / 16:36 / 7:30 (2,195 km) Minuten

Enorme Steigerungen führen auf das Stockerl

Über eineinhalb Minuten legte die Siegerin zwischen sich und der Kenianerin Winfridah Moseti, gut eine Minute später folgte ihre Landsfrau Sharon Chelimo. Auch die beiden Kenianerinnen gehörten bisher nicht zur ersten Garde des internationalen Marathonlaufs und erzielten deutliche Verbesserungen ihrer „Hausrekorde“ – ein rund um gelungener Frankfurter Jubiläumsmarathon für die Top-Drei im Frauenrennen. Moseti war im Frühjahr Fünfte beim Paris Marathon und lief im September einen starken Kopenhagen Halbmarathon, Der bis dato praktisch unbekannten Chelimo gelang ein unwirklicher Leistungssprung von elf Minuten auf eine Zeit von 2:22:07 Stunden, davor war sie in Genf ihren bisher einzigen internationalen Marathon gelaufen.

Deutsche Topläufer verlassen Frankfurt mit Enttäuschung

Lange Zeit sah es so aus, als könnte der Frankfurt Marathon die Wünsche der deutschen Topläufer erfüllen. Doch ähnlich wie Andreas Vojta brachen Miriam Dattke und Simon Boch im Finale ein, verloren wertvolle Zeit und verpassten damit ihr Statement Richtung Olympia-Qualifikation. Dattke hatte sich vorgenommen, den Marathon in unter 2:25 Stunden zu beenden und bis zu Kilometer 30 lief alles nach Plan. Die junge Deutsche absolvierte, abgeschirmt von zwei Tempomachern, in einer Gruppe ihr geplantes Rennen. Das wurde dann bei immer schwieriger werdenden Bedingungen hart und die 25-Jährige fiel zurück. Sie hätte nur allzu gerne eine ähnliche Leistung abgeliefert wie ihre Trainingspartnerin Domenika Mayer beim Berlin Marathon vor fünf Wochen, mit der diese beste Chancen auf eine Olympia-Teilnahme hat. Anstatt einer Zeit von 2:24 Stunden verpasste Dattke, irritiert von Krämpfen in den Beinen und im Bauchbereich, am Ende sogar das Olympia-Limit von 2:26:50 Stunden und erreichte eine Zeit von 2:28:12 Stunden. „Ich habe viel mit mir gehadert, ob ich nicht aussteigen soll. Aber ich musste in diese Halle reinlaufen. So kam dann doch noch ein kleines Lächeln im Ziel. Es haben mich trotzdem so viele Menschen so toll angefeuert. Auch wenn ich leider nicht besser konnte, war es eine unglaubliche Stimmung“, sagte Dattke nach dem Rennen.

Miriam Dattkes Halbmarathon-Splits: 1:12:11 / 1:16:01 Stunden
Miriam Dattkes 5km-Splits: 17:13 / 17:08 / 17:00 / 17:07 / 16:56 / 17:05 / 17:42 / 19:14 / 8:47 (2,195 km) Minuten

Interessant war, dass die Deutsche trotz des enormen Zeitverlusts keine einzige Position verlor und praktisch das gesamte Rennen lang auf der elften Position lag. Ihre europäische Mitstreiterin Matea Parlov-Kostro, bei der EM in München als Silbermedaillengewinnerin zwei Positionen vor Dattke im Ziel, hatte sich bereits früh aus der Gruppe verabschiedet und wurde in einer Zeit von 2:28:37 Stunden 13., dazwischen lag noch die Ukrainerin Viktoriia Kaliuzhna.

Boch scheitert an eigenen Ambitionen

Ähnlich wie für Dattke lief das Rennen für Simon Boch. Er überquerte die Zwischenzeit beim Halbmarathon in einer Zeit von 1:03:59 Stunden. Doch bereits vor dem 30. Kilometer verlor die kleine Gruppe an Schwung. Er habe sie nie im Rennen richtig komfortabel gefühlt, sagte er später. Der Deutsche animierte den Tempomacher zu Fleißarbeit und dieser blieb rund sechs Kilometer länger als geplant im Rennen, doch der Sieger des diesjährigen Linz Marathon war platt und konnte nicht mehr zulegen. „Wenn man seiner Zeit hinterherläuft, wird es richtig schwierig. Ich habe es einfach nicht draufgehabt und bin dann ins Ziel gejoggt. Auch wenn das Ergebnis nicht so war, wie ich erhofft habe. Das ist Marathon“, fasste der 29-Jährige zusammen. Auf den letzten Kilometern verlor er immer mehr Zeit, am Ende erreichte er nach 2:12:32 Stunden das Ziel als Neunter – über vier Minuten über der anvisierten Olympia-Qualifikationszeit von 2:08:10 Stunden.

Simon Bochs Halbmarathon-Splits: 1:03:59 / 1:08:33 Stunden
Simon Bochs 5km-Teilzeiten: 15:12 / 15:16 / 15:01 / 15:10 / 15:19 / 15:40 / 16:00 / 17:07 / 7:47 (2,195 km) Minuten

Sowohl Dattke als auch Boch wollten ursprünglich den Berlin Marathon bestreiten und wählten nach hartnäckigen Erkältungen im Spätsommer den qualitativ hochwertigen Plan B des Frankfurt Marathon. Nun bleibt ihnen in den starken DLV-Marathon-Teams noch eine vage Hoffnung auf einen Olympia-Startplatz mit einem weiteren Marathon bis zum Ende des Qualifikationszeitraums, welches World Athletics unlängst um eine Woche nach hinten auf den 5. Mai 2024 verschoben hat.

Frankfurt Marathon traditionell auch ein Marathon der Österreicher

9.665 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichten am gestrigen Sonntag die Ziellinie des Mainova Frankfurt Marathon. Renndirektor Jo Schindler zog ein positives Resümee, auch die Spitzenleistungen betreffend: „Ich ziehe tief meinen Hut vor unseren Topathleten. Gemessen an den Bedingungen haben sie exzellente Zeiten erreicht. Es wäre sogar noch mehr möglich gewesen, doch auf den letzten Kilometern wurde das Rennen leider etwas vom Wind verblasen.“ Angemeldet hatten sich 13.258 Marathon-Begeisterte mit 115 unterschiedlichen Nationalitäten, inklusive der weiteren Bewerbe verzeichnete der Veranstalter 24.293 Anmeldungen.

Darunter befanden sich über 100 Österreicherinnen und Österreicher. Nicht nur Mario Bauernfeind (KUS ÖBV Pro Team) und Andreas Vojta (team2012.at) als Teil des Elitefeldes absolvierten schnelle Schritte in der Mainmetropole – jeweils sechs österreichische Marathonläuferinnen und Marathonläufer kamen in die Top-200. Während Bauernfeind überglücklich aus Frankfurt abreiste, fehlte Vojta die letzte Energie, um seine Ziele zu erreichen (siehe separaten RunAustria-Bericht). Beste Österreicherin des Frankfurt Marathon 2023 war Elisabeth Winter (LTU Waidhofen/Thaya) auf Platz 63, die im Frühjahr schon beste Österreicherin beim Salzburg Marathon war.

Ergebnisse 40. Mainova Frankfurt Marathon

Männer

  1. Brimin Misoi (KEN) 2:04:53 Stunden *
  2. Mulugeta Uma (ETH) 2:06:47 Stunden
  3. Guye Adola (ETH) 2:07:44 Stunden
  4. Albert Kangogo (KEN) 2:08:10 Stunden
  5. Dominic Letting (KEN) 2:08:23 Stunden *
  6. Isaac Lelei (KEN) 2:09:32 Stunden **
  7. Fredrick Kibii (KEN) 2:09:33 Stunden
  8. Edwin Tuitoek (KEN) 2:12:16 Stunden **
  9. Simon Boch (GER) 2:12:32 Stunden
  10. Soufiyan Bouqantar (MAR) 2:12:44 Stunden
  11. Mario Bauernfeind (AUT) 2:12:49 Stunden *
  12. Tom Anderson (GBR) 2:12:52 Stunden
  13. Abdi Kebede (ETH) 2:13:15 Stunden
  14. Andreas Vojta (AUT) 2:13:43 Stunden *
  15. Samwel Mailu (KEN) 2:13:54 Stunden

    87. Christian Kleinert (AUT) 2:34:01 Stunden *
    102. Matthias Maldet (AUT) 2:36:14 Stunden
    149. Daniel Strobl (AUT) 2:39:29 Stunden
    196. Markus Sostaric (AUT) 2:42:55 Stunden

Frauen

  1. Buzunesh Gudeta (ETH) 2:19:27 Stunden *
  2. Winfridah Moseti (KEN) 2:20:55 Stunden *
  3. Sharon Chelimo (KEN) 2:22:07 Stunden *
  4. Viola Kibiwott (KEN) 2:22:57 Stunden *
  5. Agnes Keino (KEN) 2:23:44 Stunden
  6. Paskalia Jepkogei (KEN) 2:26:20 Stunden
  7. Visiline Jepkesho (KEN) 2:26:20 Stunden
  8. Naom Jebet (KEN) 2:26:48 Stunden
  9. Magdalyne Masai (KEN) 2:27:19 Stunden
  10. Medina Armino (ETH) 2:27:54 Stunden
  11. Miriam Dattke (GER) 2:28:12 Stunden
  12. Viktoriia Kaliuzhna (UKR) 2:28:23 Stunden
  13. Matea Parlov-Kostro (CRO) 2:28:37 Stunden
  14. Tereza Hrochova (CZE) 2:31:51 Stunden
  15. Rutendo Joan Nyahora (ZIM) 2:32:00 Stunden *
  16. Catherine Bertone (ITA) 2:35:35 Stunden

    63. Elisabeth Winter (AUT) 3:03:10 Stunden *
    64. Monika Bayr (AUT) 3:04:01 Stunden *
    101. Lilli Messner (AUT) 3:13:29 Stunden *
    112. Beatrix Krainer (AUT) 3:14:09 Stunden
    118. Manuela Antosch (AUT) 3:15:13 Stunden
    183. Lisa Schönhofer (AUT) 3:24:52 Stunden *

* neue persönliche Bestleistung
** Marathon-Debüt

Mainova Frankfurt Marathon

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