Kamenschak verpasst ÖLV-Rekord knapp – Kipyegon geschlagen
Kevin Kamenschak schlug sich bei seiner internationalen Meisterschaftspremiere in der Allgemeinen Klasse achtbar und verpasste den österreichischen 5km-Rekord von Andreas Vojta nur um eine Sekunde. Während bei den Männern die Äthiopier dominierten, feierten die Kenianerinnen angeführt von Beatrice Chebet einen Doppelsieg bei den Frauen. Für den Paukenschlag des Tages sorgte Diribe Welteji als Siegerin der Straßenmeile, die Mittelstrecken-Dominatorin Faith Kipyegon musste mit Bronze Vorlieb nehmen.

© ÖLV / Giancarlo Colombo
Nur allzu gerne hätte Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA) die Straßenlauf-WM in Riga als neuer österreichischer Rekordhalter verlassen. Eine Sekunde fehlte am Ende auf die nationale Bestleistung von Andreas Vojta und deshalb war ein an sich guter Wettkampfauftritt auch mit einer negativen Komponente belegt. „Es wurde nicht ganz das, was ich mir erwartet hatte. Auf den letzten eineinhalb Kilometern wurde es richtig windig und gerade am Schluss blies er von vorne. So habe ich den Rekord schlussendlich leider um eine Sekunde verpasst“, kommentierte der 19-Jährige.
Ein guter Saisonabschluss
Kamenschak hielt sich bei seinem Meisterschaftsdebüt in der Klasse der Erwachsenen, knapp zwei Monate nach seinem zweifachen Medaillengewinn bei den Junioren-Europameisterschaften in Jerusalem, nicht zurück und ordnete sich nach dem Start in die große Gruppe ein, wobei er recht weit vorne lief. Nach einem Fünftel der Distanz hielt er sich im hinteren Drittel auf, die Gruppe blieb auf den breiten Straßen von Riga dicht beieinander. Je länger das Rennen dauerte, desto eher konnte sich der Oberösterreicher wieder nach vorne orientieren. Im virtuellen Vergleichskampf mit dem ÖLV-Rekord von Andreas Vojta war jeder Atemzug bis zur Ziellinie wichtig, die Kamenschak nach 13:49 Minuten überquerte und damit um einer Sekunde an seinem ersten ÖLV-Rekord in der Allgemeinen Klasse vorbeischrammte. Damit verzeichnete der 19-Jährige Platz 25 direkt hinter dem Schweizer Morgan Le Guen. „Alles in allem war es ein sehr solides Rennen und ein guter Saisonabschluss, mit dem ich optimistisch in die Zukunft blickte“, rundete Kamenschak ab. In einer Woche wird der Linzer ins Höhentrainingslager nach Font Romeu in den französischen Pyrenäen aufbrechen, um damit die Wintersaison vorzubereiten.
Premiere für Gebrhiwet
An der Spitze feierte Hagos Gebrhiwet im Alter von 29 Jahren seinen ersten WM-Titel. Auf den 5.000m holte er in jungen Jahren bereits WM-Silber und WM-Bronze (2013 und 2015) sowie die Olympische Bronzemedaille in Rio 2016. Zum ganz großen Wurf hat es bisher nicht gereicht, doch die Premiere der Straßenlauf-WM in Riga war seine Spielwiese. Er hatte im äthiopischen Aufgebot den Vorzug gegenüber Weltrekordhalter Berihu Aregawi erhalten und nahm die Geschwindigkeit bei der Attacke von Yomif Kehelcha zu Rennmitte auf. Es entwickelte sich ein Duell um den Sieg zwischen den beiden Äthiopiern, aus dem sich Gebrhiwet in einer Zeit von 12:59 Minuten als der Bessere entpuppte. Kejelcha folgte in 13:02 Minuten, der Kenianer Nicholas Kipkorir hatte als Bronzemedaille bereits großen Rückstand (13:16). Vierter wurde der de facto unbekannte 18-jährige Eritreer Dawit Seare, bester Europäer war Etienne Daguinos aus Frankreich mit einem starken Auftritt als Sechster. Gut präsentierten sich auch die Skandinavier Awet Kibrab aus Norwegen und Jonas Glans aus Schweden auf den Rängen acht und zehn mit neuen Landesrekorden.

Chebets zweiter WM-Titel in diesem Jahr
Bei 15°C Lufttemperatur, leicht bewölktem Himmel und merklichen Wind entwickelte sich im 5km-Straßenlauf der Frauen ein spannender Schlagabtausch zwischen den kenianischen und äthiopischen Läuferinnen. Trotz des hohen Tempos von Beginn an mischten sich Nadia Battocletti aus Italien und Weini Kelati aus den USA in die Gruppe der Ostafrikanerinnen, wo die Italienerin auch auf dem vierten Kilometer blieb, als Kelati abreißen lassen musste. Im winkligen Schlussteil verlor auch Joy Cheptoyek den Anschluss, als die Europäerin anfangs des finalen Kilometers eine kleine Lücke aufgehen lassen musste.
Vorne gestaltete sich der Kampf um die Goldmedaille im Duell zwischen Ejgayehu Taye und Beatrice Chebet und kurz vor Schluss mischte sich auch Lilian Rengeruk noch ein. Chebet forcierte auf der Zielgerade und setzte sich letztlich klar in 14:35 Minuten mit vier Sekunden Vorsprung auf Rengeruk durch, die Weltrekordhalterin Taye musste sich mit dem dritten Platz zufrieden geben. Ihre erst 18 Jahre alte Landsfrau Medina Eisa wurde Vierte vor Battocletti, die ihren eigenen italienischen Rekord mit dieser tollen Leistung um fast eine halbe Minute verbesserte. Sieben Sekunden blieb die 23-Jährige hinter dem Europarekord der Holländerin Sifan Hassan.
Für die neue Weltmeisterin Beatrice Chebet geht damit eine außergewöhnliche Saison zu Ende. Im Februar wurde sie Crosslauf-Europameisterin, in der Bahnsaison verbesserte sie sich stetig zur zweitschnellsten Kenianerin und drittschnellsten Läuferin aller Zeiten über die 5.000m, gewann die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften von Budapest über 5.000m und ist nun Weltmeisterin im 5km-Straßenlauf.
Faith Kipyegon geschlagen
Die größte Überraschung des WM-Tages in der lettischen Hauptstadt lieferte die Straßenmeile der Frauen. Faith Kipyegon, heuer unumschränkte Dominatorin auf der Bahn – Weltrekord im 1.500m-Lauf, Weltrekord im 5.000m-Lauf (mittlerweile verbessert), Weltrekord über die Meile, WM-Titel im 1.500m-Lauf und WM-Titel im 5.000m-Lauf, wurde im Finale des Wettkampfs von den Äthiopierinnen Diribe Welteji und Freweyni Hailu düpiert. So musste der kenianische Superstar in einer Zeit von 4:24,13 Minuten mit der Bronzemedaille Vorlieb nehmen, am Ende einer langen und derart erfolgreichen Saison vielleicht doch ein Wermutstropfen. Sie hatte nach einer offensiven Renngestaltung, ohne das ganz hohe Tempo anzuschlagen, im Finale schlichtweg die Power nicht mehr, um gegen die Äthiopierinnen gegen zu halten und verließ erstmals seit über zwei Jahren einen Wettkampf nicht als Siegerin. Es verflog in Riga also ein Nimbus einer Unbesiegbarkeit.
Gewonnen hat die Tagesbeste, denn der Schlussspurt von Diribe Welteji, in Budapest über 1.500m Silbermedaillengewinnerin hinter Kipyegon, war massiv dominant, was zu einer Siegerzeit von 4:20,98 Minuten führte. Das ist ein neuer Weltrekord in reinen Frauenrennen, World Athletics führt erst seit kurzem offizielle Weltrekorde in dieser Disziplin, die mit der Straßenlauf-WM sich weiterentwickeln soll. Auch Weltejis Landsfrau Hailu kam noch an Kipyegon vorbei, wodurch der ganze äthiopische Doppelsieg im aktuellen Jahrtausend geboren ist. Die zweite Kenianerin, Nelly Chepchirchir führte als Vierte die Verfolgergruppe vor der Australierin Jessica Hull an, die Spanierin Marta Perez war als Sechste die beste Europäerin.
Kessler gewinnt Meile der Männer
Die einzigen Medaillen des Tages, die nicht an afrikanische Läuferinnen und Läufer gingen, waren jene in der Straßenmeile der Männer, die in der Besetzung auch nicht so hochklassig war wie die anderen Bewerbe. Das schmälert den Erfolg des 20-jährigen Hobbs Kessler nicht, der in einer Zeit von 3:56,13 Minuten den mit Abstand größten Erfolg seiner Karriere feierte. „Die Straßenmeile ist ein amerikanisches Event. Wir haben viel Erfahrung darin, dazu meine gute Verfassung zu Saisonende“, erklärte der Weltmeister. Die Sensation lieferte der 24-jährige Brite Callum Elson, der auf internationaler Ebene abseits der Teilnahme an der Mixed-Staffel der Crosslauf-WM noch nicht für Aufsehen gesorgt hat, mit der Silbermedaille vor Sam Prakel, der seinen Weltrekord an Kessler abgeben musste. Favorit Reynold Cheruiyot aus Kenia erlebte ein Waterloo und kam nicht unter die besten 20.
Ergebnisse Straßenlauf-WM 2023 in Riga, 5km-Straßenlauf der Männer
Gold: Hagos Gebrhiwet (Äthiopien) 12:59 Minuten * / **
Silber: Yomif Kejelcha (Äthiopien) 13:02 Minuten
Bronze: Nicholas Kipkorir (Kenia) 13:16 Minuten
- Dawit Seare (Eritrea) 13:21 Minuten **
- Cornelius Kemboi (Kenia) 13:24 Minuten
- Etienne Daguinos (Frankreich) 13:25 Minuten **
- Morgan McDonald (Australien) 13:26 Minuten **
- Awet Nftalem Kibrab (Norwegen) 13:28 Minuten ***
- Scott Beattie (Großbritannien) 13:32 Minuten **
- Jonas Glans (Schweden) 13:32 Minuten ****
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24. Morgan Le Guen (Schweiz) 13:46 Minuten **
25. Kevin Kamenschak (Österreich) 13:49 Minuten **
Ergebnisse Straßenlauf-WM 2023 in Riga, 5km-Straßenlauf der Frauen
Gold: Beatrice Chebet (Kenia) 14:35 Minuten *
Silber: Lilian Rengeruk (Kenia) 14:39 Minuten **
Bronze: Ejgayehu Taye (Äthiopien) 14:40 Minuten
- Medina Eisa (Äthiopien) 14:41 Minuten **
- Nadia Battocletti (Italien) 14:45 Minuten *****
- Joy Cheptoyek (Uganda) 14:50 Minuten ******
- Weini Kelati (USA) 15:10 Minuten
- Verity Ockenden (Großbritannien) 15:18 Minuten **
- Francine Niyomukunzi (Burundi) 15:23 Minuten *******
- Klara Lukan (Slowenien) 15:25 Minuten ********
Ergebnisse Straßenlauf-WM 2023 in Riga, Straßenmeile der Männer
Gold: Hobbs Kessler (USA) 3:56,13 Minuten *********
Silber: Callum Elson (Großbritannien) 3:56,41 Minuten **
Bronze: Samuel Prakel (USA) 3:56,43 Minuten **
- Mael Gouyette (Frankreich) 3:56,57 Minuten **
- Kieran Lumb (Kanada) 3:56,98 Minuten **
- Ryan Mphahlele (Südafrika) 3:57,35 Minuten **
- Giovanni Filippi (Italien) 3:57,41 Minuten **
- Benoit Campion (Frankreich) 3:57,62 Minuten **
- Yobiel Weldrufael (Eritrea) 3:57,94 Minuten **
- Jack Anstey (Australien) 3:58,30 Minuten **
…
22. Reynold Cheruiyot (Kenia) 4:05,91 Minuten **
Ergebnisse Straßenlauf-WM 2023 in Riga, Straßenmeile der Frauen
Gold: Diribe Welteji (Äthiopien) 4:20,98 Minuten *********
Silber: Freweyni Hailu (Äthiopien) 4:23,06 Minuten **
Bronze: Faith Kipyegon (Kenia) 4:24,13 Minuten **
- Nelly Chepchirchir (Kenia) 4:31,18 Minuten **
- Jessica Hull (Australien) 4:32,45 Minuten **
- Marta Perez (Spanien) 4:34,12 Minuten **
- Berenice Cleyet-Merle (Frankreich) 4:34,41 Minuten **
- Nozomi Tanaka (Japan) 4:35,32 Minuten
- Addison Wiley (USA) 4:36,03 Minuten
- Marissa Damink (Niederlande) 4:36,49 Minuten **
* neuer Meisterschaftsrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** neuer norwegischer Rekord
**** neuer schwedischer Rekord
***** neuer italienischer Rekord
****** neuer ugandischer Rekord
******* neuer burundischer Rekord
******** neuer slowenischer Rekord
********* neuer Weltrekord