WM 2023: Mary Moraa gewinnt spannenden Dreikampf
Zwei Jahre lang bildeten Athing Mu und Keeely Hodgkinson im 800m-Lauf das spannende Duell an der Weltspitze. Spätestens seit dem Saisonende des letzten Jahres gehört Mary Moraa zu diesem erlesenen Kreis hinzu. Gewissermaßen war ihr beeindruckender Erfolg im WM-Finale von Budapest ein Favoritensieg.

© Stephen Pond / Getty Images for World Athletics
Die Leistung, die die 23-jährige Mary Moraa am Sonntagabend Im Glutofen Leichtathletik Stadion von Budapest mit immer noch 30°C Lufttemperatur ablieferte, war mehr als nur WM-würdig. Es war ihr schnellster 800m-Lauf ihrer Karriere, der sie in einer Zeit von 1:56,03 Minuten zu einem eindrucksvollen WM-Titel führte, dem dritten kenianischen nach Janeth Jepkosgei 2007 und Eunice Sum 2015. Vor lauter Enthusiasmus über den größten Erfolg ihrer Karriere sprang Moraa über die Ziellinie und wäre zwei Schritte später beim Verlangsamen des Tempos beinahe gestürzt. Passiert ist dabei nichts, wie die ein oder andere Tanzeinlage anschließend auf der Laufbahn demonstrierte. „Das ist meine Signatur unter besonders harten Wettkämpfen und großen Siegen“, erklärte sie gegenüber dem kenianischen Medium Capital Sports. Inspiriert habe sie dazu die kenianische Hindernislauf-Legende Ezekiel Kemboi, der seine Erfolge auch mit rhythmischen Bewegungen zelebrierte.
Silber: Keely Hodgkinson (Großbritannien) 1:56,34 Minuten
Bronze: Athing Mu (USA) 1:56,61 Minuten **
4. Raevyn Rogers (USA) 1:57,45 Minuten **
5. Jemma Reekie (Großbritannien) 1:57,72 Minuten
6. Nia Akins (USA) 1:57,73 Minuten *
7. Adelle Tracey (Jamaika) 1:58,41 Minuten *
8. Halimah Nakaayi (Uganda) 1:59,18 Minuten
* neue persönliche Bestleistung
** neue Saisonbestleistung
Moraa neue Angstgegnerin für Hodgkinson
Auch wenn Athing Mu und Keely Hodgkinson bei den Olympischen Spielen 2021 und den Weltmeisterschaften 2022 in dieser Reihenfolge jeweils die ersten beiden Plätze belegten, reiste Mary Moraa als Weltranglistenführende nach Budapest. Zurecht, denn sie ist in dieser Freiluftsaison in 800m-Läufen noch ungeschlagen und auch im 400m-Sprint gewann sie nur einmal nicht, beim Diamond-League-Meeting in Monaco. Ihr Erfolgslauf im 800m-Lauf begann aber bereits im vergangenen Sommer nach der WM-Bronzemedaille. Bei den Commonwealth Games besiegte sie Keely Hodgkinson und das vor deren Publikum in Birmingham. Auch beim Diamond-League-Finale in Zürich lag die Kenianerin im Beisein der Britin vorne. Es war der Auftakt zu vier Freiluftrennen in Folge, in denen Hodgkinson das direkte Duell gegen Moraa verlor. Ein direktes Duell gegen Mu gab es seit der WM 2022 nicht mehr, weil die US-Amerikanerin nach ihrem Wechsel zu Trainer Bob Kersee und möglicherweise auch wegen erhöhtem Zeitaufwand für Modell-Aktivitäten kaum Wettkämpfe bestritt. Und das merkte man in der Tempohärte der Schlussphase dieses WM-Rennens.
Mu offensiv und im Finale defensiv
Vor ausverkauftem Haus im WM-Stadion von 2023 begann ein spannender Run auf die zweite Kurve hin. Das US-Supertalent ergatterte die Führung in einer Zwischenzeit von 26,51 Sekunden vor Moraa sowie dem britischen Duo Jemma Reekie und Hodgkinson. Es war die typischerweise schnellste Phase des Rennens, doch auch die 400m-Durchgangszeit von 56,01 Sekunden von Mu demonstrierte das hohe Tempo. Die Kenianerin, zuweilen mit einer abenteuerlichen taktischen Flexibilität ausgestattet, lief ruhig auf dem zweiten Platz, während Hodgkinson lange Zeit hinter Reekie Vierte war und erst vor der letzten Kurve an ihrer Landsfrau vorbeiziehen konnte. Zu Moraa war in der Kurve bereits ein kleiner Abstand entstanden.
Die spätere Siegerin ging eingangs der Zielgerade aus dem Windschatten der Amerikanerin und mit rund 50 Metern zu gehen merkte man, wie der Schritt der Titelverteidigerin langsamer wurde. Hodgkinson fand auf der Innenbahn eine Lücke, doch gegen den effektiven Spurt von Moraa auf der Außenbahn hatte sie keine Chance. „Alles in allem bin ich schon überrascht über die Goldmedaille“, ordnete die 23-jährige Siegerin ein. Die Kenianerin siegte in 1:56,03 Minuten vor Hodgkinson in 1:56,34 Minuten und Mu, die in 1:56,61 Minuten keineswegs enttäuschte. Es war ein 800m-Rennen auf höchstem Niveau, wie auch der Blick in die Historie zeigt. Moraas Siegerzeit wurde im aktuellen Jahrhundert nur zweimal von Caster Semenya getoppt. Nur in der Urzeit der WM-Entscheidungen, nämlich 1987, ging die Bronzemedaille in einer höheren Qualität weg als diese Mal, nur zweimal lief die Achtplatzierte im Finale eine schnellere Zeit als Ex-Weltmeisterin Halimah Nakaayi in 1:59,18 Minuten.

Hodgkinson wartet weiter auf globalen Titel
Für Hodgkinson war der bärenstarke Auftritt von Mary Moraa bitter. Denn zum ersten Mal überhaupt kam sie in einem Wettkampf vor Athing Mu ins Ziel, unvergessen bleibt das knapp verlorene Duell bei den letzten Weltmeisterschaften in Oregon. Kein Wunder, dass das britische Leichtathletik-Magazin „Athletics Weekly“ auf deren Website den Titel „Mary Moraa verhindert Keely Hodgkinsons goldenen Moment“ wählte. „Ich bin konstant in der Weltspitze, es ist eine weitere Medaille auf globaler Ebene. Ich sehe das positiv“, zitierte das Fachmagazin die 21-Jährige. „Außerdem habe ich alles gegeben.“ Das englische Ausnahmetalent hat damit zum dritten Mal in Folge auf globaler Ebene eine Silbermedaille gewonnen, nur auf kontinentaler glänzte bereits Gold um ihren Hals.
Starke Leistungen im gesamten Feld
Auch abseits des Supertrios auf den ersten drei Plätzen wurden prächtige Leistungen abgeliefert. Raevyn Rogers, WM-Silbermedaillengewinnerin 2019, spurtete auf Platz vier vor Jemma Reekie, die mit diesem fünften Platz und ihren bisherigen Saisonleistungen ihr Comeback in der Weltspitze gegeben hat. Die in den bisherigen Tagen von Budapest so starke US-Meisterin Nia Akins lieferte auch im Finale ab und blieb als Sechste erstmals unter 1:58 Minuten. Neben der Siegerin und Akins lief auch Adelle Tracey, im Vorjahr noch im Halbfinale gescheitert, eine persönliche Bestleistung.
Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2023 in Budapest