WM 2023: Kiplangat tritt in Kiprotichs Fußstapfen
Victor Kiplangat ist der Marathon-Held der Weltmeisterschaften 2023. Der 23-Jährige gewann in einer Zeit von 2:08:53 Stunden die zweite Marathon-WM-Goldmedaille nach Stephen Kiprotich, der als Pionier sämtlicher ugandischer Lauferfolge gilt. Während Maru Teferi die erste WM-Marathon-Medaille für Israel holte, musste sich das starke äthiopische Aufgebot mit einer Bronzemedaille zufrieden geben.

© Stephen Pond / Getty Images for World Athletics
Eine Goldmedaille zu Beginn der Weltmeisterschaften durch Nationalheld Joshua Cheptegei im 10.000m-Lauf, eine am Ende durch einen jungen Marathonläufer, der das noch werden kann. Victor Kiplangat übertrumpfte in Budapest sämtliche Äthiopier und Kenianer und auch den Rest der Welt und lief in einer überzeugenden Manier zum größten Erfolg seiner Karriere: WM-Gold. „Alle meine Träume sind heute in Erfüllung gegangen“, sagte der Champion, der von einem schwierigen Rennen sprach, auf das er aber gut vorbereitet war – besonders was die sommerlichen Bedingungen betraf. „Die WM war ein Traum, eine Mission. Ich habe es geschafft und war voller Energie. Nun will ich auch Olympiasieger werden“, fügte er an. Kiplangat ist, inklusive der Crosslauf-WM in Bathurst und Jacob Kiplimo, bereits der dritte Lauf-Weltmeister aus Uganda binnen eines halben Jahres – eine solch stolze Bilanz kann kein anderes Land auf der Welt aufweisen.

Im Schlussviertel mit Abstand der Stärkste
Die heißeste Phase, das sportliche Geschehen beschreibend, dieses Marathons begann nach etwa 33 Kilometern. Kiplangat übernahm erstmals die Spitze und bei Kilometer 34 setzte er sich nach einer Beschleunigung des Tempos auf Kilometerzeiten von deutlich unter drei Minuten, am entscheidenden erzielte der neue Weltmeister einen Split von 2:52 Minuten, mit Leul Gebresilase vom Rest des Feldes ab. Der Äthiopier konnte noch bis Kilometer 38 Kontakt halten, dann öffnete sich eine kleine Lücke, die sich nicht wieder schloss. Strammen Schrittes, und immer noch Kilometerzeiten nicht weit über drei Minuten, lief Kiplangat auf den Heldenplatz zu und vergoldete dort unter dem Jubel der dieses Mal zahlreich erschienenen Zuschauer seine Leistung in einer Zeit von 2:08:53 Stunden.
Victor Kiplangats Erfolg kam aus einer leichten Außenseiterposition, doch gemeinsam mit seinem Landsmann und nationalen Rekordhalter Stephen Kissa ging er als Mitfavorit auf eine Medaille ins Rennen. Vielleicht erreichte der am Ende fünftplatzierte Kissa diese deshalb nicht, weil er kurz vor der Zwischenzeit bei Kilometer im Kontakt mit dem Kenianer Timothy Kiplagat zu Sturz gekommen war. Zwar rappelte sich der 34-Jährige schnell wieder auf und eroberte den Anschluss an die Spitze zurück, doch das Manöver hatte Kraft gekostet. Homogen und ohne Zwischenfälle verlief jedoch das Rennen von Victor Kiplangat, der 2021 seinen ersten gefinishten Marathon in Istanbul gleich siegreich gestaltet hat. Seinen besten lief er 2022 in Hamburg, wo er eine persönliche Bestleistung von 2:05:09 Stunden erzielte. Drei Monate später gewann er die Goldmedaille bei den Commonwealth Games von Birmingham. Und nun, nach Rang zwei beim Osaka Marathon Ende Februar, folgte in Budapest sein größter Marathon-Erfolg.
Silber: Maru Teferi (Israel) 2:09:12 Stunden
Bronze: Leul Gebresilase (Äthiopien) 2:09:19 Stunden
4. Tebello Ramakongoana (Lesotho) 2:09:57 Stunden *
5. Stephen Kiss (Uganda) 2:10:22 Stunden
6. Milka Mengesha (Äthiopien) 2:10:43 Stunden
7. Hassan Chahdi (Frankreich) 2:10:47 Stunden
8. Titus Kipruto (Kenia) 2:10:47 Stunden
9. John Hakizamana (Ruanda) 2:10:50 Stunden
10. Daniele Meucci (Italien) 2:11:06 Stunden
11. Yohanes Chiappinelli (Italien) 2:11:12 Stunden
12. Ichitaka Yamashita (Japan) 2:11:19 Stunden
13. Zach Panning (USA) 2:11:21 Stunden
14. Timothy Kiplagat (Kenia) 2:11:25 Stunden
15. Haftom Welday (Deutschland) 2:11:25 Stunden
16. Isaac Mpofu (Simbadwe) 2:11:33 Stunden
17. Tsegaye Getachew (Äthiopien) 2:11:56 Stunden
18. Mehdi Frère (Frankreich) 2:11:59 Stunden
19. Rory Linkletter (Kanada) 2:12:16 Stunden
20. Haimro Alame (Israel) 2:12:32 Stunden
…
23. Sondre Nordstad Moen (Norwegen) 2:13:12 Stunden
26. Johannes Motschmann (Deutschland) 2:14:19 Stunden
* neue persönliche Bestleistung
Äthiopier kommen mit blauem Auge davon
Als Favorit war eigentlich Titelverteidiger Tamirat Tola an der Spitze des äthiopischen Quartetts ins Rennen gegangen. Der 32-Jährige hielt sich über 30 Kilometer lang gut, konnte dann jedoch der Attacke Kiplangats nicht mehr folgen. Als er nach 38 Kilometern seinen dritten Platz am frenetisch aufholenden Maru Teferi verlor, stieg er recht bald aus. Weil Milkesa Mengesha, der zum Zeitpunkt der Attacken außerhalb der Top-Ten lag und am Ende immerhin noch Sechster wurde, und Tsegaye Getachew bereits zurück lagen, lagen die äthiopischen Hoffnungen damit auf den Schultern von Leul Gebresilase, der ein seltsames Manko mit sich herumträgt. Der Mann, der schon fünfmal unter 2:05 Stunden gelaufen ist, wartet seit dem Valencia Marathon 2018 auf einen Sieg, läuft aber regelmäßig auf das Stockerl bei großen internationalen Marathonläufen. Und auch dieses Mal sollte es sich nicht mit einem Einser ausgehen und auch die Silbermedaille verlor der 30-Jährige noch.
Maru Teferi aus Israel, Sieger des Fukuoka Marathon 2022, lag bei den Zwischenzeiten bei Kilometer 37 und 38 jeweils eine halbe Minute hinter Gebresilase zurück und war eher gefordert, seine Medaille nach hinten zu verteidigen. Doch im Finale war keiner so schnell wie der 31-Jährige, der bei der Zwischenzeit bei Kilometer 40 noch 31 Sekunden Rückstand auf Gebresilase hatte, bei Kilometer 41 nur noch 19 und bei Kilometer 42 noch vier. In der langgezogenen Kurve am Heldenplatz vollzog er das Überholmanöver und finishte in einer Zeit von 2:09:12 Stunden. Der Mann, der seit fast zwei Jahrzehnten in Israel lebt und bei den Europameisterschaften 2022 durch den legendären Endspurt des Deutschen Richard Ringer die sicher geglaubte Goldmedaille noch verlor, holte also wie damals die Silbermedaille. Es ist eine historische: die erste für Israel im Marathon der Männer, die zweite im Marathon nach der Bronzemedaille von Lonah Chemtai Salpeter 2022 und die erst fünfte für Israel in der WM-Geschichte überhaupt, als zweiter Mann nach dem Stabhochspringer Aleksandr Averbukh um die Jahrtausendwende. Erzielt trotz eines Sturzes in der zweiten Rennhälfte. Außerdem ist Teferis Silbermedaille die beste Platzierung eines dem Europäischen Leichtathletik-Verband angehörigen Nationalverbands im Marathon der Männer seit der Silbermedaille des Spaniers Julio Rey 2003 in Paris.
Ernüchternd verlief das Rennen dagegen für das kenianische Team, das wie bei den Frauen auf etliche ihrer Stars verzichten musste. Titus Kipruto kam letztlich als Bester auf Platz acht, der lange Zeit besser liegende Timothy Kiplagat musste sich mit Rang 14 zufrieden geben. Damit blieb Kenia nicht nur zum zweiten Mal in Folge und zum vierten Mal bei den letzten sechs WM-Marathons ohne Edelmetall, sondern erzielte das schlechteste WM-Abschneiden seit dem Fiasko in Peking vor acht Jahren.

Historische Leistung für Lesotho
Eine wirklich historische Leistung gelang dem viertplatzierten Tebello Ramakongoana, der die beste Platzierung seines Heimatlandes Lesotho überhaupt bei Weltmeisterschaften markierte. Er ist erst der zweite männliche und insgesamt fünfte WM-Teilnehmer seines Landes, die bisherige Bestmarke erzielte ebenfalls ein Marathonläufer: Tshepo Mathibelle mit Platz 14 in Peking 2015. Ramakongoana verbesserte seine beim Sieg beim Durban Marathon im März aufgestellte persönliche Bestleistung um 13 Sekunden auf eine Zeit von 2:09:57 Stunden und blieb nur zehn Sekunden hinter dem Landesrekord von Motlokoa Nkhabutlane vom Paris Marathon 2017 zurück.
Beachtlich ist auch das Abschneiden einiger Europäer. Der Franzose Hassan Chahdi wurde Siebter und verbesserte damit das beste französische Abschneiden in einem WM-Marathon um vier Positionen. Mit Mehdi Frère kam noch ein zweiter Franzose unter die Top-20, nur Äthiopien schaffte mehr Top-20-Positionen, Uganda, Israel, Kenia und Italien mit Altmeister Daniele Meucci und Yohanes Chiappinelli auf den Positionen zehn und elf ebenfalls zwei. Gut lief der WM-Marathon auch für die beiden Deutschen: Haftom Welday erreichte in einer Zeit von 2:11:25 Stunden den 15. Platz, Johannes Motschmann, der wegen zwei gestrichener Flüge erst am Vortag aus dem Trainingslager in St. Moritz anreisen konnte, belegte Platz 26.

Kurioser Auftritt der mongolischen Marathonlegende
Der WM-Marathon von Budapest wurde um kurz vor 7 Uhr morgens mit 85 bei 22°C Lufttemperatur gestartet, im Ziel hatte es bis zu 28°C. „Es war zwar warm, aber nichts im Vergleich zu Peking oder Doha“, sagte Ex-Europameister Meucci, der auf so viel Marathon-WM-Erfahrung zurückblicken kann wie kaum ein anderer. Ein anderer Routinier, Ser-Od Bat-Ochir aus der Mongolei, sorgte in der Anfangsphase mit einem Alleingang für Aufsehen. Nach rund zehn Kilometern wurde der 41-Jährige aber eingeholt und gab wenig später seinen elften WM-Marathon in Folge auf.
Unter den prominenten Aufgaben befanden sich nicht nur Titelverteidiger Tamirat Tola, sondern auch der ehemalige Europarekordhalter Kaan Kigen Özbilen, der Holländer Abdi Nagaayi, der französische Rekordhalter Morhad Amdouni oder der Italiener Eyob Faniel. Auch der einzige Schweizer im Rennen, Simon Tesfaye finishte nicht. Sein Landsmann Adrian Lehmann musste wegen Rückenschmerzen bereits im Vorfeld passen.
Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2023 in Budapest