U20-EM: Kamenschak jubelt über Silber hinter Goldjunge Laros
Kevin Kamenschak hat sein Ziel, erstmals auf internationaler Ebene bei Europameisterschaften eine Medaille zu holen, heute Morgen im Rahmen der Junioren-EM in Jerusalem erreicht. Der 19-jährige Oberösterreicher freute sich ausgiebig über den zweiten Platz hinter dem erwartbar überlegenen, neuen Junioren-Europameister Niels Laros. Damit platzierte sich das heimische Lauftalent exakt auf der Position, die die Meldeliste ankündigte, realisierte diesen Erfolg aber mit einer aktiven Renngestaltung.

© ÖLV / Coen Schilderman
Dass das herausragende europäische Lauftalent Niels Laros, der als holländischer Co-Rekordhalter der Allgemeinen Klasse eine um acht Sekunden bessere Bestleistung aufweisen kann als der Österreicher und auf der Unterdistanz, dem 800m-Lauf, fast eineinhalb Sekunden schneller gelaufen ist als ÖLV-Rekordhalter Michael Wildner, die Goldmedaille gewinnen würde, das war wohl auch in allen realistischen Szenarien im Kopf von Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA) klar. Mit diesem Hintergrundwissen war der Zieleinlauf der Österreichers ein emotionaler Genuss. Wenige Augenblicke vor Überschreiten der weißen Linie breitete der 19-Jährige seine Arme zum Jubel, im 90°-Winkel vom Oberkörper abstehend, aus und blieb wenige Meter hinter der Ziellinie in dieser Pose stehen. Dann, nach wenigen Sekunden ließ er sich auf die Knie und kauerte kurz auf der Tartanbahn, neben ihm der nicht weniger glückliche Bronzemedaillengewinner Ondrej Gajdos, der schon im Vorlauf gemeinsam mit Kamenschak gute Laune verbreitet hatte (siehe RunAustria-Bericht). Mehrfach verbreiteten die Außenmikrophone im Innenfeld den gut hörbaren Jubelschrei des Oberösterreichers, dem durch eine Serie von lauten „Jaaas!“ sichtlich nicht nur Freude aussprühte, sondern auch Erleichterung und Genugtuung entwich. „Ich habe so, so lange für diesen Moment gearbeitet. Endlich habe ich eine Medaille!“

Erstes Edelmetall auf europäischer Ebene
Für Kevin Kamenschak war diese Silbermedaille der erste große Erfolg auf internationaler Bühne, nachdem er vor zwei Jahren als 17-Jähriger bereits im Finale der U20-EM stand und im vergangenen Jahr mit der Finalteilnahme bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Cali bereits auf globaler Ebene bei den Junioren für Furore gesorgt hatte. Auch für die österreichische Leichtathletik ist Kamenschaks Silbermedaille eine historische. Es ist zwar schon das dritte Edelmetall der diesjährigen Titelkämpfen, gleichzeitig die 17. Medaille bei Junioren-Europameisterschaften seit der Premierenausgabe im Jahr 1970 (die vierte Silberne) und die erst zweite im Laufbereich nach Günther Weidlingers Titel 1997 in San Sebastian. „Richtig geil, Vize-Europameister! Danke an jeden, der sich den Livestream angeschaut und mir die Daumen gedrückt hat“, freute er sich nach dem Rennen.
Silber: Kevin Kamenschak (Österreich) 3:59,73 Minuten
Bronze: Ondrej Gajdos (Tschechien) 4:00,98 Minuten
4. Manuel Zanini (Italien) 4:01,63 Minuten
5. Nino Jambresic (Kroatien) 4:02,09 Minuten
6. Daniel Galloway (Großbritannien) 4:03,19 Minuten
7. Tim Kalies (Deutschland) 4:03,59 Minuten
8. Ioann Lobles (Niederlande) 4:04,07 Minuten
9. Ruben Egea (Spanien) 4:05,78 Minuten
10. Romuald Brosset (Schweiz) 4:05,85 Minuten
11. Sam Mills (Großbritannien) 4:08,46 Minuten
Beschleunigung zu Rennmitte
Nicht nur die Endplatzierung war letztendlich überzeugend, sondern auch die Art und Weise, wie Kamenschak zur Silbermedaille lief. In einem für Meisterschaftsrennen nicht unüblich langsamen Rennbeginn platzierte sich der Österreicher im hinteren Teil des Feldes auf der Innenbahn und lief neben dem etwas mittiger platzierten Favoriten. Auch dieser war bemüht, sich in der Anfangsphase aus jeglichem Gedränge herauszuhalten. So trottete das Feld, erst mit Joann Lobles, jüngerer Bruder von Mittelstreckenläufer Djoao, dann mit Manuel Zanini an der Spitze zwei Runden lang kontrolliert durch das Givat Ram Stadion, die Zwischenzeiten lauteten 1:12,75 Minuten nach 400 und 2:24,05 Minuten nach 800 Meter. Laros und Kamenschak dürfte das langsame Tempo hinblicklich des 5.000m-Laufs morgen gelegen gekommen sein.
Zu diesem Zeitpunkt lagen aber schon die Medaillenkandidaten an der Spitze. Nach rund 650 Metern begann sich Laros sachte aus seiner Position zu lösen. Kamenschak reagierte schnell, wechselte hinten von der Innenbahn nach außen. Alleine die Tatsache, dass der Holländer sich umblickte, war eine Ehre für Kamenschak – er sah in ihm offensichtlich den Hauptkontrahenten. „Ich unterschätze nie jemanden. Jeder, der in einem Finale steht, will sein Bestes geben und jeder ist stark genug, sein Land würdig zu vertreten“, eröffnete der klare Favorit nachher sein Sieger-Statement.
Und Kamenschak wurde es. Er zog an Laros vorbei wie auch an allen anderen und beschleunigte in Führung liegend merklich. Damit zwang er den um über ein Jahr jüngeren Kontrahenten zu einer Reaktion, aber Laros hatte alles im Griff. Während er an den Fersen des Österreichers blieb, musste Ondrej Gajdos eine kleine Lücke schließen, was dem US-Studenten gelang. 250 Meter vor dem Ziel überholte Laros Kamenschak, der sich mit einem Blick über die Schulter, die Seite des Überholmanövers in der Blickrichtung ignorierend, orientierte. Der Holländer war in seiner Schlussrunde unbesiegbar, unglaubliche 50,92 Sekunden schnell war diese laut Auswertung von European Athletics. „Ich bin unglaublich dankbar für die Goldmedaille. Ich wollte nicht arrogant wirken, aber ich denke, heute war ich schwierig zu besiegen. Ich hatte eine gute Position im Rennen und war im Finale richtig schnell. Nun will ich eine Goldmedaille im 5.000m-Lauf nachlegen“, so Laros, der schon vor dem Zieldurchlauf mit seinem Jubel begann. Kamenschak hatte schon in der letzten Kurve einen vorentscheidenden Rückstand. Mit angestrengter Miene bog er auf die lange Zielgerade ein, doch der zweite Platz war im Duell mit Gajdos nie in Gefahr – am Ende trennten die beiden gut eine Sekunde. Kamenschaks Schlussrunde war 54,29 Sekunden schnell, jene des Tschechen 55,23 Sekunden. Die letzten 800m im Wettkampf absolvierte der Österreicher in einer Zeit von 1:50,02 Minuten, womit er in der ÖLV-Jahresbestenliste nur knapp hinter Elias Lachkovics läge.

Caune überlegen zum ersten Titel
Die Frage nach der neuen Junioren-Europameisterin im 3.000m-Lauf war eigentlich schon nach den ersten paar Schritten geklärt, in denen sich Agate Caune an die Spitze setzte und den Willen, einen Alleingang zu zelebrieren, dem Feld präsentierte. Kein Wunder, denn die Lettin führt mit ihrem Landesrekord der Allgemeinen Klasse von 8:39,78 Minuten die Weltjahresbestenliste der Altersklasse U20 mit deutlichem Vorsprung an, also auch vor allen Äthiopierinnen und Kenianerinnen, darunter auch die amtierende Crosslauf-Junioren-Weltmeisterin Senayet Getachew. In ihrem Tempodiktat gelang Caune, vor zwei Jahren bereits Silbermedaillengewinnerin im 5.000m-Lauf, bei angenehmen Morgentemperaturen von 20°C um 9 Uhr Ortszeit in der israelischen Hauptstadt eine statistische Kuriosität: Die Zeitnehmung maß die ersten beiden Kilometer exakt gleich: 2:56,02 Minuten, auf die Hundertstelsekunde genau gleich schnell.
Was sich rasch änderte, war aber der Vorsprung auf die Deutsche Sofia Benfares, die sich als alleinige Verfolgerin versucht. Bereits 50 Meter Abstand waren es nach nicht einmal einem Kilometer, vor den letzten beiden Runden bereits rund 130 Meter. Es war eine Demonstration ihrer Stärke, die in der Goldmedaille in einer Zeit von 8:53,20 Minuten endete, der zweitschnellsten 3.000m-Zeit in der Geschichte dieser Titelkämpfe. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man ein Projekt erfolgreich zu Ende gebracht hat. Das waren meine ersten Gedanken im Ziel: Ich habe es geschafft, nach vielen Monaten der Vorbereitung“, jubelte die Siegerin zwei Tage nach ihrem 19. Geburtstag. Sie ist die erste lettische Junioren-Europameisterin im 3.000m-Lauf seit Inna Poluskina im Jahr 2003.
So könnte, wenn man unbedingt will, der verpasste Meisterschaftsrekord des rumänischen Laufstars Gabriela Szabo aus dem Jahr 1997 als einziger Makel analysiert werden, denn lange Zeit lag Caune virtuell nämlich unter dieser Bestmarke. Dann jedoch geriet der letzte Kilometer über drei Minuten. Um die Leistung statistisch einzuordnen: In der Geschichte der österreichischen Leichtathletik hat nur Susanne Pumper jemals eine schnellere 3.000m-Zeit erzielt als Caune in Jerusalem. Die Lettin startet morgen noch über 5.000m, wo sie neuerlich die klare Favoritin ist. „Mein Lauf war heute komfortabel und ich bin schon auf den morgigen Wettkampf fokussiert.“
Silber: Zuzanna Wiernicka (POL) 9:21,40 Minuten *
Bronze: Sofia Benfares (GEER) 9:25,42 Minuten
4. Elsa Sundqvist (SWE) 9:31,08 Minuten
5. Vanessa Mikitenko (GER) 9:33,11 Minuten
6. Jana Johanova (CZE) 9:37,36 Minuten
7. Laura Ribigini (ITA) 9:38,86 Minuten *
8. Sabella Tesfaye (SUI) 9:40,52 Minuten
…
DNF Tabea Schmid (AUT)
* neue persönliche Bestleistung
16-Jährige gewinnt Silber, Tabea Schmid kommt nicht ins Ziel
Im Kampf um die weiteren Medaillen hatte Zuzana Wiernicka dank einer starken Schlussrunde am Ende das Trumpfass in der Hand. Gemeinsam mit der Schwedin Elsa Sundqvist, in deren Windschatten sie die meiste Zeit lief, erreichten sie vor Anbruch der letzten Runde die Solistin Sofia Benfares auf dem zweiten Platz. Während bei der Deutschen die Energiereserven endend waren (Schlussrunde von knapp unter 75 Sekunden) und die Schwedin gar völlig erschöpft war (Schlussrunde in gut 80 Sekunden), überholte die erst 16 Jahre alte Wiernicka in der Schlussrunde (70,70, ihre schnellste im Rennen und damit minimal schneller als die Schlussrunde von Caune) zweifach. Damit hat Polen vier Jahre nach dem Sieg von Zofia Dudek neuerlich eine Medaille in dieser Disziplin. Benfares sicherte sich die Bronzemedaille und gewann die erste deutsche Medaille bei diesen Titelkämpfen in dieser Disziplin seit der Goldmedaille von Alina Reh im Jahr 2015. Die zweite Deutsche im Feld, Vanessa Mikitenko, Tochter der Marathonlegende Irina, kam als Fünfte ins Ziel.
Für Tabea Schmid (ULC Riverside Mödling), die sich erst dank ihres starken Abschneidens bei den European Youth Olympic Games für die U20-EM qualifiziert hatte, war die Wettkampfentwicklung eine ungünstige. Durch das hohe Tempo an der Spitze zersplitterte das Feld bald in Grüppchen. Die junge Österreicherin, mit 17 Jahren eine der jüngsten im Feld, ordnete sich in der Mitte der letzten Gruppe ein. Dort blieb sie, ehe diese Gruppe nach zwei Kilometern zerbrach und Schmid sich für den Ausstieg kurze Zeit später entschied.

Lachkovics scheitert im Vorlauf
Mit einer unüblichen und schwierigen Herausforderung war bereits gestern Abend, als Österreichs Leichtathletik über die Goldmedaille von Hürdensprinter Enzo Diessl und die Bronzemedaille von Siebenkämpferin Sophie Kreiner jubelte, Elias Lachkovics (SVS Leichtathletik) in den Vorläufen im 800m-Lauf konfrontiert. Erstens, weil das Feld von 25 Läufern in nur einer Runde auf acht Finalisten reduziert werden musste. Zweitens, weil der Spanier Ronaldo Olivo gleich auf die Tube drückte und mit einer sehr schnellen Durchgangszeit für den Juniorenbereich von 51,54 Sekunden die zweite Runde ansteuerte.
Für Lachkovics, der im Vorfeld von einer Verkühlung geschwächt wurde, war das Rennen zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen, denn er hatte den Anschluss an die Verfolgergruppe bereits verloren und konnte diesen nie wieder herstellen. In einer Zeit von 1:55,95 Minuten belegte er Rang acht unter neun Teilnehmern im ersten Vorlauf, um das Finale zu erreichen hätte er eine persönliche Bestleistung laufen müssen, wozu der Rennablauf dieses ersten Vorlaufs durchaus eingeladen hätte.
Ergebnis U20-EM, Vorläufe über 800m der Burschen
2. Alexander Stepanov (GER) 1:48,32 Minuten * / ***
3. Janos Kubasi (HUN) 1:48,47 Minuten **
4. Harry Ross-Hughes (GBR) 1:49,55 Minuten **
5. Gabriele Angiono (ITA) 1:50,43 Minuten
6. Louis Low-Beer (SUI) 1:52,06 Minuten
7. Bartosz Kitlinski (POL) 1:52,52 Minuten
8. Elias Lachkovics (AUT) 1:55,95 Minuten
2. Louey Ouerrat (FRA) 1:49,51 Minuten *
3. Uku Renek Kronbergs (EST) 1:49,56 Minuten
1. Jakub Dudycha (CZE) 1:49,27 Minuten *
2. Thomas Marques de Andrade (FRA) 1:49,43 Minuten *
3. Elija Ziem (GER) 1:49,61 Minuten
* direkte Finalqualifikation
** Finalqualifikation über die Zeitregel
*** persönliche Bestleistung
Olivo konnte sein Tempo einigermaßen halten und siegte in 1:48,04 Minuten vor dem Deutschen Alexander Stepanov, der eine persönliche Bestleistung erzielte, Janos Kubasi, der als einziger Olivo gleich gefolgt war, und Harry Ross-Hughes. Nie zuvor in der Geschichte dieses Events war ein Vorlauf schneller. Der Ungar und der Brite profitierten von Olivos Arbeit und zogen über die Zeitregel ins Finale ein, wobei Ross-Hughes nur um 0,01 Sekunden schneller war als der Este Uku Renek Kronbergs als Dritter im zweiten der drei Vorläufe.
In den Vorläufen über 800m der Frauen gab sich die Titelverteidigerin Audrey Werro keine Blöße und gewann den dritten der drei Läufe mit der schnellsten Zeit aller von 2:05,34 Minuten vor Malin Hoelsveen aus Norwegen. Abigail Ives belegte im zweiten Vorlauf Platz zwei hinter der Tschechin Adela Holubova, Vorlauf eins ging an die Türkin Dikel Kocak. Als Dritte des ersten Vorlaufs verpasste Jana Marie Becker aus Deutschland den Sprung ins Finale, welches wie jenes der Männer am Donnerstagnachmittag auf dem Programm steht.
U20-Europameisterschaften 2023 in Jerusalem
Österreichischer Leichtathletik-Verband