U23-EM: Frey kann Tempo im 5.000m-Lauf nicht halten
Sebastian Frey ging mit dem Willen, trotz des schnellen Tempos von Charles Hicks um die besten Positionen mitzukämpfen, ins Rennen. Wie etliche andere Kontrahenten war das beeindruckende Diktat des Briten aber eine zu hohe Hürde für den Österreicher, der den Wettkampf auf Platz 15 zu Ende brachte. Hinter Hicks brillierte Lokalmatador Eemil Helander als Silbermedaillengewinner. Auch im 800m-Lauf der Frauen feierte Gastgeber Finnland beim Favoritinnensieg der Spanierin Daniela Garcia einen Medaillengewinn.

© ÖLV / Coen Schilderman
„Die Luft wurde knapp und es ging nichts mehr“, sagte Sebastian Frey (DSG Wien) nach dem diffizilen Rennen in der lauen Sommermittagszeit von Espoo am gestrigen zweiten Wettkampftag der U23-EM. Und so blieb ihm die ewig junge Erkenntnis, dass es gute und schlechte Tage gibt. „Heute war kein guter Tag, das muss man abhaken.“ Vielleicht gut für den 21-jährigen Wiener, dass es für ihn am Sonntag im 10.000m-Lauf eine zweite Chance gibt und möglicherweise musste er in der zweiten Rennhälfte nicht voll am Limit laufen, um Platz 15 in einer Zeit von 14:22,23 Minuten in die Wertung zu bringen, was die Regeneration erleichtern würde. „Der Plan war vorne mitzulaufen, das hat leider nicht geklappt. Viel zu früh wurde es viel zu zäh und ich musste nachlassen. Klar bin ich ein bisschen enttäuscht, aber in zwei Tagen starten alle wieder bei Null“, machte er einen Strich unter seinem ersten Wettkampfauftritt. Das Rennen aufzugeben, so wie es etwa der Norweger Abdullahi Dahir Rabi und der Däne Joel Ibler Lillesö, die beide zu den besten jungen Langstreckenläufern Europas gehören, kam für Frey, der unmittelbar für den Wettkampf aus dem Höhentrainingslager in St. Moritz angereist war, nicht in Frage.
Gewaltige Leistung von Hicks
Es war schon höchst beeindruckend, welche Performance Charles Hicks, letztes Wochenende noch Vierter bei den britischen Meisterschaften der Allgemeinen Klasse, auf die Laufbahn des Stadions in Espoo legte. Der 21-jährige Brite lief wie Eemil Helander in der Gruppe auf der Innenbahn los und startete gleich in den fünften Gang durch. Der Finne reagierte als einziger und so hatten die beiden bereits beim Zusammenschluss der beiden Gruppen einen leichten Vorsprung auf alle anderen. Alle, die außen die erste Kurve absolvieren mussten, wie Frey, mussten sich erst einsortieren. Nachdem der Österreicher etwas aufwändig seine Position im Feld gefunden hatte, liefen die ersten Runden nach Plan. Frey war Vierter hinter Hicks, Helander und Rabi, hinter ihm klaffte eine Lücke, die andere erst schließen mussten. Der erste Kilometer war in einer Zeit von unter 2:40 Minuten ausgesprochen schnell und blieb der schnellste des Rennens.
Nur Helander folgte dem Europameister
Nach einem Drittel der Distanz überholte Lillesö den Österreicher, der wenig später seine Position nicht halten konnte und binnen kurzer Zeit etliche Positionen verlor. Frey suchte sich einen neuen Rhythmus und als er ihn gefunden hatte, lief er in der dritten Gruppe. Vorne stieg gleichzeitig Rabi aus und ließ sich auf die Bahn fallen, eine gute Runde später war auch für Lillesö selbstgewählte Endstation. Von all dem unbeeindruckt zog Hicks vorne seine Runden und als die Glocke für die letzte Runde ertönte, konnte er trotz 11,5 Runden in Führung liegend noch zulegen und seinen Verfolger frühzeitig distanzieren. Der Jubel des Publikums gehörte Silbermedaillengewinner Eemil Helander, der in einer persönlichen Bestleistung von 13:40,15 Minuten ins Ziel kam. Eine so schnelle Zeit hat noch kein finnischer U23-Läufer im aktuellen Jahrhundert erzielt. „Nachdem ich bisher oft knapp an Medaillen gescheitert bin, fühlt sich diese Silbermedaille besonders gut an“, meinte der 22-Jährige, der vor der Saison 2022 vom 3.000m-Hindernislauf endgültig auf die Flachdistanzen gewechselt war. Der mit Sonnenbrille laufende Blondschopf war einer der Testimonials dieser U23-Titelkämpfe in seinem Heimatland und erinnerte selbst in Interviews an die große Tradition der finnischen Läufer – wahrlich große Fußstapfen.
Zwei Medaillen für Großbritannien
Golden schimmerte aber nur die herausragende Performance von Charles Hicks, amtierender Crosslauf-Europameister in der Altersklasse U23. Seine Siegerzeit lautete 13:35,07 Minuten, sie täuschte sogar noch etwas darüber hinweg, wie dominant er war. „Es war ein großartiges Rennen. Ich habe das hineingelegt, was ich drauf hatte und das hat zu einem einzigartigen und aufregenden Rennen vom Startschuss weg geführt. Ich bin froh, dass ich diese Chance ergriffen habe“, kommentierte der Brite. Er konnte gemeinsam mit seinem Landsmann Will Barnicoat zur Siegerehrung, der aus dem spannenden Kampf um Platz drei als Sieger hervorging. In einem Dreikampf sah der Israeli Derebe Ayele wie der sichere Bronzemedaillengewinner aus, doch er ging auf der Zielgerade ein und der Brite zog noch vorbei – persönliche Bestleistung in 13:45,24 Minuten. Loic Scomparin aus Frankreich wurde Fünfter.
Silber: Emil Helander (Finnland) 13:40,15 Minuten *
Bronze: Will Barnicoat (Großbritannien) 13:45,24 Minuten *
4. Derbe Ayele (Israel) 13:47,92 Minuten
5. Loic Scomparin (Frankreich) 13:49,60 Minuten
6. Adam Maijo (Spanien) 13:50,77 Minuten
7. Henry McLuckie (Großbritannien) 13:52,11 Minuten
8. Jaime Migallon (Spanien) 13:52,38 Minuten
…
15. Sebastian Frey (Österreich) 14:22,23 Minuten
16. Sven Wagner (Deutschland) 14:23,89 Minuten
DNF Joel Ibler Lillesö (Dänemark)
DNF Abdullahi Dahir Rabi (Norwegen)
* neue persönliche Bestleistung
Gold für favorisierte Garcia über 800m
In der zweiten Finalentscheidung im Laufbereich feierte Daniela Garcia am frühen Freitagabend finnischer Zeit einen Favoritinnensieg über 800m. Auf der regennassen Laufbahn im Leppävaara Stadion lief die 21-Jährige ein smartes Rennen und setzte sich in einer Zeit von 2:02,96 Minuten knapp vor Lokalmatadorin Veera Mattila (2:03,14) und Georgia-Maria Despollari aus Griechenland (2:04,14) durch. Die Spanierin war, obwohl die Schwedin Wilma Nielsen in der Europarangliste etwas besser platziert ist, aufgrund ihrer Vorleistung auf dem Papier als Favoritin ins Rennen gestartet. Beim Meeting Iberoamericano Anfang Juni in Huelva hatte sie mit einer deutlichen Verbesserung ihrer persönlichen Bestleistung auf eine Zeit von 2:00,58 Minuten aufgezeigt und war, auch aufgrund einiger Absagen, wie zum Beispiel von Keely Hodgkinson oder Audrey Werro, mit der deutlich besten Vorleistung an den Start gegangen. Diese Rolle nahm sie mit einer taktisch intelligenten Positionierung ein, stets mit an der Spitze und präzise an der Innenkante der Laufbahn laufend. Das kam allerdings aus ihrem ersten Statement nach dem Triumph gegenüber European Athletics nicht heraus: „Ich bin einfach blind gelaufen, die 800m sind immer eine taktische Disziplin.“ Die Spanierin sieht sich mitten in einem Lernprozess, einen wesentlichen Anteil an ihrem Erfolg schanzte die Junioren-EM-Fünfte von Tallinn 2021 ihrer sportpsychologischen Betreuung zu: „Ich habe gelernt, im Wettkampf einfach ich selbst zu sein.“
Innenbahn als Trumpf
Nebeneinander gingen die deutsche U23-Meisterin Lucia Sturm und Garcia in die zweite Kurve, die Spanierin innen, die Deutsche außen. Kurz vor Ende der ersten Runde übernahm Despollari die Führung und führte das Feld in einer Zeit von 1:02,20 Minuten in die zweite Runde. Veera Mattila, die vom gut gefüllten Stadion bereits bei der Präsentation mit einem warmen Applaus begrüßt worden war, schnappte sich von der ersten Geraden an Garcias Hinterrad, wie man in Radsport-Sprache sagen würde. Das bedeutete, dass auch die erst 20 Jahre alte Finnin stets den kürzesten Weg auf Bahn eins laufen konnte. Als Garcia als Führende einer engen Spitzengruppe in die letzt Kurve einbog, lag die Lokalmatadorin hinter Sturm und Nielsen auf Platz vier, konnte allerdings auf der Innenbahn beide überholen und lief mit viel Schwung im Windschatten Garcias aus der letzten Kurve.
Falsche Medaille für einige Minuten
Die Vorentscheidung war zu diesem Zeitpunkt fast gefallen, weil Lucia Sturm den Schlussspurt aus der Kurve nicht so gut ziehen konnte. Kurz sah es danach aus, als könnte die Finnin gar noch Garcia bedrängen, doch in den Anfeuerungen des Publikums war letztendlich der Wunsch Vater des Gedanken. Mattila verbesserte ihr beim Meeting in ihrer Heimatstadt Oulu aufgestellte persönliche Bestleistung um ein paar Zehntelsekunden auf eine Zeit von 2:03,14 Minuten und war damit exakt um eine Sekunde schneller als die Bronzemedaillengewinnerin. „Es ist unglaublich, ich war die letzte Woche so unglaublich nervös und um ehrlich zu sein, bin ich noch nicht in der Lage, zu realisieren, was passiert ist. Ich bin jedenfalls überglücklich und freue mich nun auf die Staffel morgen“, jubelte die Überraschungs-Zweite. Bei der offiziellen Siegerehrung unterlief den Verantwortlichen dann ein unfassbarer Faux-Pas, als sie Mattila die Bronzemedaille umhingen, obwohl alle Athletinnen richtig postiert waren. Die Finnin erkannte laut finnischen Medienberichten im Gegensatz zu Despollari den Fehler gleich, war aber wohl zu schüchtern, um zu intervenieren. Erst abseits des Stockerls wurde nachher getauscht.
Despollari hatte den Spurt um Bronze von Platz sechs aus nach 700 Metern noch gewonnen und damit auch Lucia Sturm die Medaille geklaut. „Auf den letzten 100 Metern bin ich einfach so schnell gelaufen wie ich konnte“, so die mit 19 Jahren Jüngste im Finalfeld. Sturm erkannte im Statement mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ihren Fehler: „Ich habe zwischendurch zu viele Meter gemacht, weil ich außen gelaufen bin. Am Ende waren die anderen stärker, das muss ich anerkennen.“ Ihre Enttäuschung, nicht auf dem Stockerl gelandet zu sein, konnte sie kaum verstecken. Ihre Teilzeit für die letzten 100 Meter von 16,14 Sekunden war um eineinhalb Sekunden langsamer als jene der Zweitplatzierten und insgesamt nur die sechstschnellste im Feld.
Silber: Veera Mattila (Finnland) 2:03,14 Minuten *
Bronze: Georgia-Maria Despollari (Griechenland) 2:04,14 Minuten
4. Lucia Sturm (Deutschland) 2:04,58 Minuten
5. Nina Vukovic (Kroatie) 2:04,60 Minuten *
6. Wilma Nielsen (Schweden) 2:04,66 Minuten
7. Veronika Sadek (Slowenien) 2:05,11 Minuten
8. Invida Maurina (Lettland) 2:06,92 Minuten
* neue persönliche Bestleistung
im Vorlauf gescheitert: Caroline Bredlinger (Österreich)
U23-Europameisterschaften 2023 in Espoo
Österreichischer Leichtathletik-Verband