„Hätte keine Chance gehabt!“ – Sevilla Marathon ohne Herzog

Wie im vergangenen Jahr nach der Aufgabe bringt der Sevilla Marathon Peter Herzog nicht zum Lächeln. © SIP / Johannes Langer
Man fühlt sich zwangsläufig um zwölf Monate zurückversetzt. Damals verhinderte ein muskuläres, Schmerzen entfachendes Problem im Oberschenkel die Zielankunft beim Sevilla Marathon und zerstörte die harte Arbeit in vielen Vorbereitungswochen. 2023 geht Peter Herzog (Union Salzburg LA) erst gar nicht an den Start. Eine Erkrankung zwang ihn vor einigen Tagen zu dieser Entscheidung. „Es war einfach nicht möglich, ich hätte keine Chance gehabt“, begründet er. Er sei nicht der einzige im Trainingslager in Südwesteuropa, der den Sevilla Marathon aus gesundheitlichen Gründen, streichen musste. Zum Beispiel der Este Tiidrek Nurme oder der Deutsche Johannes Motschmann, der allerdings aus Kenia einfliegend eine Erkältung mitgebracht hat und nun um seinen Start am Sonntag bangt.
„Eine erbärmliche Bewegungsabfolge“
Mit viel Schwung, Motivation und steigernder Form schienen die Zeichen über viele Trainingswochen in Kenia (vor Weihnachten) und Portugal (seit den ersten Tagen des Jahres) günstig für den Salzburger zu stehen, beim Sevilla Marathon am kommenden Sonntag einen guten Marathon laufen zu können. Eine Viruserkrankung stoppte ihn wenige Tage nach dem Vorbereitungshalbmarathon vor drei Wochen. Am Anfang habe er noch gehofft, der Infekt würde sich schnell verabschieden, erzählt er. Dagegen sind die schlimmen Vorahnungen Realität geworden. „Ich hatte ein paar Tage ein richtiges Krankheitsgefühl. Als ich danach wieder laufen ging, war ich nach wenigen Kilometern ziemlich platt. Im Vergleich zum Laufgefühl von vor zweieinhalb Wochen, war das eine erbärmliche Bewegungsabfolge.“
Kein Lohn für viel Leidenschaft
Auch wenn der österreichische Marathon-Rekordhalter meint, im letzten Jahr hätte er sich stärker geärgert, ist die Absage bitter. Der Lohn der harten Trainingswochen weit weg von zu Hause bleibt aus, die zeitlichen und finanziellen Investments bleiben vorerst unrentabel. „Ich war jetzt das vierte Jahr in Portugal und ich habe die Vorbereitung noch nie in ein gutes Wettkampfergebnis ummünzen können. Und das, obwohl die Trainingsmöglichkeiten hier wie immer sehr gut waren“, gibt der 35-Jährige zu bedenken. Dass dem Marathonläufer naturgemäß nicht die Möglichkeit gegeben ist, eine zeitlich nahe Alternative zu wählen um Verpasstes gutzumachen, macht die Absage des Sevilla Marathon bitterer. „Man muss schon eine besondere Leidenschaft mitbringen, um wochenlang auf einen einzigen Wettkampf mit vollster Disziplin hin zu trainieren. Und dann reicht ein kleiner Störfaktor zum falschen Zeitpunkt und das war’s.“
Neue Ziele werden kommen
Um einen ersten kleinen Schritt Richtung seines nächsten großen Ziels, Olympische Spiele 2024 und die damit verbundene, anspruchsvolle Qualifikation, zu setzen, gilt es, neue Ziele anzuvisieren. Konkrete Tendenzen gibt es nicht, der April biete sich vom zeitlichen Abstand zur Gegenwart an, um an den nächsten Marathon zu denken. Den wird Herzog dann in der Heimat vorbereiten, wo der Winter-Tourismus noch auf Hochtouren läuft. „Hoffentlich bleibt das Wetter so, wie es jetzt ist“, erinnert der Pinzgauer an Herausforderungen vergangener Jahre.
Sieger von 2020 kehrt zurück
Spätestens seit den Fabel-Streckenrekorden bei den Männern in den letzten beiden Jahren sowie bei den Frauen durch Alemu Megertu 2022 hängen die Trauben beim Sevilla Marathon, der weder ein Platin- noch ein Gold Label von World Athletics hat, hoch, wenn man vordere Platzierungen anstrebt. Da der Kurs schnell ist, sollte man sich auch von vermeintlich unspektakulären Elitefeldern an deren Spitze nicht verleiten lassen. Angeführt wird jenes der Männer von Mekuant Ayenew, der 2020 in einer Zeit von 2:04:46 Stunden. Doch diese Leistung hat Alleinstellungsmerkmal in der Karriere des 31-Jährigen, dessen zweitschnellster Marathon jener in Prag 2017 in 2:09:00 Stunden war. Seinen anderen internationalen Marathonsieg feierte er 2016 in Peking.
Die schnellste Vorleistung auf der Liste hat der kenianische Routinier Stanley Biwott, einst im Duell mit Eliud Kipchoge in 2:03:51 Stunden Zweiter beim London Marathon 2016. Doch seither lief es nicht mehr für den 36-Jährigen, weder im Marathon noch im Halbmarathon gelang ein ansprechendes Ergebnis, so dass in der Pandemiepause auch die Einladungen ausblieben. Nach fast drei Jahren gelang 2022 beim Halbmarathon in Padua das Comeback mit einem Sieg in 1:01:57 Stunden – keine Leistung, mit der er seine besten Marathonzeiten in Sevilla angreifen kann. Der Drittschnellste auf der Meldeliste ist der Kenianer Bethwel Kibet, im Oktober in einer Zeit von 2:06:26 Stunden Zweiter beim Linz Marathon.
Navarro schielt Richtung französischen Rekord
In Abwesenheit Herzogs ist die Gruppe der starken europäischen Läufer groß: Angeführt wird sie vom Franzosen Nicholas Navarro, der eine Zeit von 2:07:01 Stunden aufweisen kann und sogar den französischen Marathonrekord von Morhad Amdouni (2:05:22) ins Auge fassen will. Auch die Israelis Girmaw Amare, Haimro Alame und Godadaw Belachew sind bereits unter 2:08 Stunden gelaufen. Spanischer Topläufer ist Daniel Mateo, der Italiener Iliass Aouani, dessen Landsmann Yohanes Chiappinelli sein Marathon-Debüt gibt, ist ein weiterer Europäer, dessen Bestleistung Richtung Olympia-Limit von 2:08:10 Stunden zeigt. Dieses wollen auch die Südamerikaner Christian Simeon Pacheco und Hector Flores, Landesrekordhalter aus Peru und Bolivien, anvisieren. Die Startliste, auf der auch Herzog noch vermerkt ist, umfasst 33 Läufer mit Bestleistungen unter 2:10 Stunden sowie 58 mit Bestleistungen unter dem alten Olympia-Limit von 2:11:30 Stunden. Darunter befindet sich der deutsche Marathonmeister Hendrik Pfeiffer, dessen Landsmann Samuel Fitwi sein Debüt gibt.
Erster Marathon als Europameisterin für Lisowska
Auch das Starterfeld bei den Frauen weist mit 22 Athletinnen mit Bestleistungen unter 2:28 Stunden bzw. 35 Athletinnen mit Bestleistungen unter 2:30 Stunden eine hohe Dichte auf. Angeführt wird es von den Äthiopierinnen Sintayehu Tilahun, die ihren bisher einzigen Marathon in Mailand 2022 auf Platz zwei beendet hat, und Kidsan Alema, im Vorjahr in persönlicher Bestleistung Sechste beim Sevilla Marathon.
Hinter fünf Äthiopierinnen folgen auf der nach Vorleistungen gereihten Liste die türkische Rekordhalterin Sultan Haydar, die sechseinhalb Jahre nach den Olympischen Spielen von Rio ein Comeback anstrebt, die Portugiesin Carla Salomé Rocha, deren Landsfrau Ana Dulce Felix ebenfalls im Feld ist, und die ehemalige kanadische Rekordhalterin Malindi Elmore, Olympia-Neunte in Sapporo.
Aus europäischer Sicht hochinteressant ist der erste Auftritt der Marathon-Europameisterin Aleksandra Lisowska seit ihrem überraschenden Erfolg in München. Mit Deborah Schöneborn ist auch eine aus dem starken deutschen Marathonteam am Start und visiert eine neue persönliche Bestleistung an. Und mit Mekdes Woldu feiert die französische Halbmarathonrekordhalterin ihr Marathondebüt.
Insgesamt sind rund 12.000 Läuferinnen und Läufer beim Sevilla Marathon am Start.