Eigentlich war die Geschichte vom letzten Auftritt Mo Farahs beim London Marathon 2022 bereits mit frischer Tinte vorformuliert, als eine Muskelverletzung einen Antritt verhinderte. Der mehrfache Olympiasieger und Weltmeister im 5.000m- und 10.000m-Lauf hat sich daher aufgerafft und noch einen Winter hindurch auf Topniveau trainiert, um ein halbes Jahr später bei der Rückkehr des London Marathon in den Frühjahr seinen allerletzten Wettkampf auf Profiniveau zu bestreiten.
Der letzte Akt
Für den ehemaligen Sieger des Chicago Marathon gibt es keinen besseren Ort für seinen Abschied von höchster Bühne als der Marathon-Gigant in jener Stadt, in der er großgeworden ist – und wie seit kurzem bekannt ist, er sich von seiner dramatischen Vergangenheit lösen konnte. „Der London Marathon war immer ganz speziell für mich und ich freue mich wirklich, noch einmal auf den Straßen meiner Heimatstadt zu laufen“, so Farah, der noch vor dem Wettkampf seinen 40. Geburtstag feiern wird. Dass er für einen weiteren Abschiedsversuch beim London Marathon nur ein halbes Jahr warten musste, kam ihm dabei entgegen. Eine gewisse Müdigkeit vom Spitzensport schimmert längst durch, kein Wunder bei einer derartig langen, erfolg- und ereignisreichen Karriere.
Gesund am Start, emotional im Ziel
Dreimal hat Mo Farah den Nachwuchsbewerb beim London Marathon gewonnen, ein Sieg über die Marathon-Distanz wird ihm verwehrt bleiben. Generell gelang der Einstieg in den Marathon trotz Chicago-Sieg und zwischenzeitlichem Europarekord nicht ganz nach Wunsch – er ist halt hohen Standard gewohnt. „Es ist enorm wichtig für mich, gesund an der Startlinie zu stehen. Ich gebe dem London Marathon eine neue Chance, mal sehen, wozu mein Körper noch in der Lage ist“, backt er kleine Brötchen und lenkt den Scheinwerfer auf die Atmosphäre. „Trotz der letzten schwierigen Jahre liebe ich, was ich tue. Ich bin guter Stimmung, muss nichts mehr beweisen. Es wird einfach schön, vor diesem Publikum zu laufen.“ Es soll ein emotionaler Abschied werden.
McColgan vor Marathon-Debüt
Ebenfalls im vergangenen Oktober vorgesehen war das Marathon-Debüt der gegenwärtig stärksten britischen Langstreckenläuferin, Eilish McColgan, die im vergangenen Jahr zwei EM-Medaillen sowie zwei Medaillen bei den Commonwealth Games, darunter der umjubelte Triumph im 10.000m-Lauf, geholt hat. Das Marathon-Debüt scheiterte daran, dass McColgan ein Problem mit der Aufnahme einiger Nährstoffe unter Wettkampfbedingungen hat und damals noch keine ausgereifte Strategie entwickelt hatte. Nun ist sie bereit: „Der London Marathon ist etwas, was auf der To-Do-Liste einer jeden britischen Läuferin und eines jeden britischen Läufers steht. Selbst Leute, die nicht laufen, kennen den London Marathon. Er ist eine Ikone“, verspürt die 32-Jährige große Vorfreude. Zweimal war sie bereits als Tempomacherin engagiert, nun soll das Debüt einen neuen Schritt in ihrer Karriere bedeuten. „Ich will mich stärker in Richtung Straßenläufen und Marathons orientieren, wobei der Marathon Priorität hat.“ Damit schlägt sie einen ähnlichen Werdegang wie ihre Mutter Liz ein, die 1991 Weltmeisterin im 10.000m-Lauf wurde und 1996 den London Marathon sogar gewann.
Britische Straßenlauf-Elite großteils am Start
Der London Marathon zieht nicht nur die beiden Stars, sondern weitere starke britische Läufer an. Emile Cairess, zuletzt mit einer starken Leistung Vize-Europameister im Crosslauf hinter einem gewissen Jakob Ingebrigtsen, plant sein Marathon-Debüt in London, nachdem er im vergangenen Jahr die Veranstaltung als Pacemaker kennengelernt hat. Seine Vorleistungen über 10 Kilometer (27:44) und im Halbmarathon (1:00:32) lassen einiges erwarten. Zusätzlich kommen mit Dewi Griffiths, Chris Thompson, Ben Connor, Josh Griffiths, Luke Caldwell und Weynay Ghebresilasie bei den Männern sechs weitere Läufer mit Bestleistungen unter 2:12 Stunden dazu.
Im Feld der Frauen starten neben der prominenten Debütantin in den britischen Farben Jess Piasecki, hinter Paula Radcliffe die zweitschnellste britische Marathonläuferin aller Zeiten, Charlotte Purdue, Stephanie Davis und Samantha Harrison.
TSC London Marathon