Fünf Jahre neuer Anti-Doping-Kampf: die AIU

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2017 nahm die Athletics Integrity Unit als Organisation, die mit voller Unabhängigkeit zum Leichtathletik-Weltverband (damals IAAF, heute World Athletics) Dopingfälle in der Olympischen Kernsportart zu enttarnen versucht und sie rechtlich handhabt, Schwung auf. Die Gründung der AIU, zu deren Vorsitzender Brett Clothier aus Australien bestimmt wurde, war eine logische Konsequenz aus dem ans Licht gebrachten russischen Dopingskandal. Damals war die alte IAAF-Führung in korrupten Beziehungen zu Russland zum eigenen finanziellen Vorteil eingeknickt und der Aufgabe, für sauberen Sport zu kämpfen, zu der sich die Leichtathletik eigentlich verpflichtet hätte, mit Absicht unzureichend bis gar nicht nachgekommen.

Erste Erfolge

Durch ihre Unabhängigkeit genoss die in Monaco ansässige AIU, die im ständigen Austausch mit dem vom ehemaligen WADA-Generalsekretär David Howman aus Neuseeland angeführten Integrity Unit Board steht, einen Vertrauensvorschuss und sie begann mit dem Aufräumen, nicht nur der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart. Mit Asbel Kiprop wurde gleich in den ersten Monaten ein mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger mit einem positiven Test auf EPO aus dem Verkehr gezogen. Die AIU legt Ermittlungschroniken transparent dar, auch wenn Verfahren sich häufig in die Länge ziehen und Kräfte binden.

In der Zeit der globalen Einschränkungen der Reisetätigkeiten und Kontaktmöglichkeiten in den Jahren 2020 und 2021 schlief der globale Kampf gegen Doping im Sport auch bei der AIU ein, ein Zeitraum, in dem einige alte Dopingfälle über den Beweis aus dem Blutprofil der Athleten, ein nicht unwichtiger Hebel in der Verfolgung betrügender Sportlerinnen und Sportler, ans Licht geholt wurden. Erst kurz vor den Olympischen Spielen von Tokio gab die AIU in ihrem Newsletter bekannt, dass mit wenigen Ausnahmen der globale Kampf gegen Doping wieder auf einem akzeptablen Standard gebracht wurde – mit dem Nebensatz, dass für saubere Spiele in Japans Hauptstadt im Sommer 2021 das Prinzip Hoffnung eine Rolle spielen würde.

Sebastian Coe sieht richtige Tendenz

Fünf Jahre nach dem Bestehen zog Clothier im britischen Leichtathltik-Magazin „Athletics Weekly“ ein positives Fazit: „Wir haben den Kampf gegen Doping in die richtigen Bahnen gelenkt.“ Er hoffe, dass die breite Öffentlichkeit erkannt habe, dass die Leichtathletik den Kampf gegen Doping im Sport ernst nimmt und dass die Fortschritte im Kampf gegen Betrug einen Vertrauensgewinn gegenüber der Sportart zur Folge habe. Aber: „Ich will niemandem etwas vormachen, es liegt noch ein langer, langer Weg im Kampf gegen Doping vor uns.“ Gegenwärtig sind über 500 Leichtathletinnen und Leichtathleten weltweit gesperrt, die meisten aus Russland, Indien und Kenia stammend – viele davon wurden von der AIU enttarnt. Erfolge versprechen insbesondere die nicht angekündigten Dopingkontrollen im Training („Out of Competition Tests“) – diese Rate ist bei den AIU-Aktivitäten um ein Vielfaches höher als in den Jahren davor bei der WADA.

Sebastian Coe freut sich über die Erfolge der AIU: „Viele Leute mit hoher Reputation sind schon gestürzt worden.“ Dazu gehören US-Sprinter Christian Coleman oder die kenianischen Marathon-Stars Jemima Sumgong und Wilson Kipsang. Dabei ist dem Briten bewusst, dass zu Aktivitätsbeginn der AIU der Verbesserungsspielraum enorm war. Zukünftig sind seine Erwartungen an die AIU hoch, denn die Technologien und Ermittlungsfähigkeiten der AIU würden immer besser (vgl. Athletics Weekly, 14.04.2022).

Neue Methoden

An neuen chemischen Methoden, die raschere und effektivere Analysen zulassen, wird an mehreren Einrichtungen der Welt geforscht. Ein Team der University of Florida etwa hat eine neue Methode zur besseren Unterscheidung zwischen endogenen und exogenen Steroiden entwickelt, die deutsche Sporthochschule in Köln arbeitetet an einer Technologie, Analysen mit eingetrocknetem Blut durchführen zu können. Die internationale Doping-Agentur (ITA) will mit Drohnenflügen von abgenommenen Proben Transportzeiten verkürzen. Ziel sei es, einerseits Doping effektiver zu enttarnen, aber gleichzeitig die sauberen Athletinnen und Athleten besser zu schützen. Denn Schnelligkeit ist auf diversen Ebenen immer noch ein großes Problem im Kampf gegen Doping, ein weiteres bleiben Mobilität und Verfügbarkeit der Testpersonen.

Der Kampf gegen Doping kostet – und das nicht wenig: 2021 verfügte gab die AIU, trotz Beschneidung des Budgets in den Jahren 2020 und 2021, fast neun Millionen US-Dollar (gut acht Millionen Euro) aus. Ungefähr ein Drittel ging jeweils für das Testprogramm und Personalkosten drauf. Das Budget wird von diversen Seiten aufgefüllt, darunter auch von den World Marathon Majors, weiteren Label-Straßenläufen wie dem Vienna City Marathon, Sponsoring-Partnern von World Athletics und Verbänden.

Mehr Out-of-Competition-Tests

Die AIU agiert Seite an Seite mit bestehenden Anti-Doping-Behörden wie die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und die nationalen Anti-Doping-Agenturen. Dabei bewegte sie sich in jene geografischen Räume, die von bestehenden Anti-Doping-Aktivitäten nicht so gut abgedeckt wurden. Aus den Zahlen des AIU-Berichts aus dem Jahr 2021 wird das beispielsweise erkennbar: Von den 7.108 in diesem Jahr durch die AIU abgenommenen Proben, zu ca. zwei Drittel „Out-of-Competition-Tests“, entfielen deutlich mehr als zwei Drittel auf afrikanische und europäische Athleten, ein Drittel aller Proben auf den Langstreckenlauf inklusive Straßenlauf. Die gegenwärtige Serie von Dopingfällen im kenianischen Laufsport sind sicherlich auch durch die Initiativen der AIU mitbegründet.

Über 31.000 Tests in der Leichtathletik

Veröffentlicht wurde unlängst auch der WADA-Bericht des Jahres 2021, auch dort zeigt sich eine Annäherung an den Testaktivitäten aus dem Jahr 2019, also eine deutliche Steigerung gegenüber 2020, wo auch viel weniger Sportevents stattgefunden haben. 270.803 im ADAMS-Sytem eingetragene Dopingproben wurden analysiert, von den 241.430 Blut- oder Urintests waren 1.872 positiv. Neben den beiden deutschen Anti-Doping-Labors in Köln und Dresden erwies sich das österreichische in Seibersdorf als fleißig beim Analysieren (17.982 Tests alleine im Jahr 2021, 0,54% positiv). Mit 31.178 verbuchten Tests ist die Leichtathletik knapp hinter dem Fußball die am zweithäufigsten getestete Sportart, der Radsport folgt mit 20.617 Dopingtests. 0,6% oder 184 positive Resultate haben die Dopingjäger auf der Habenseite, im Radsport sind es 0,7%, im Fußball 0,2%, im Bodybuilding als „bösem Buben“ sind es 14%. In der Leichtathletik wurden Langstreckenläufer auf der Bahn (ab 3.000m) am häufigsten getestet (10.479), es folgen die Sprinter. Die Marathonläufer wurden von den nationalen und internationalen Testagenturen hingegen kaum getestet.

Hinter der AIU sammelten die nationalen Anti-Doping-Agenturen aus China, Deutschland, den USA und Russland die meisten Dopingproben in der Leichtathletik. Die NADA Austria kam auf 123 Proben in der Leichtathletik, das ist weniger als die Hälfte als etwa die nationalen Anti-Doping-Agenturen in der Schweiz oder Finnland. Die Quote an positiven Testergebnissen war insgesamt geringer als in den Jahren zuvor.

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