Das ganze Wochenende genoss Peter Herzog (Union Salzburg LA) die Freude am Marathon, so wie er sie vor einigen Jahren kennengelernt hat und so wie er sie gleich zweimal, beim Berlin Marathon 2019 und beim London Marathon 2020, in der Premium-Edition konsumiert hat. „Aufgrund meines Karrierewegs in den Laufsport hatte ich von Anfang an eine stake emotionale Bindung ausschließlich zum Marathon, nicht zu Kurzdistanzrennen“, erinnert er. Die lange Pause von zwei Jahren zum letzten starken Marathon ließ daher auch eine Sehnsucht an abgespeicherte Eindrücke aus der Vergangenheit wachsen, sehr verankert haben sich dagegen die Erlebnisse in Sapporo, wo trotz Pandemie-Einschränkungen zwar eine gute Stimmung an der Strecke geherrscht hatte, der Salzburger aber den mit Abstand schwierigsten Wettkampf seiner Karriere erleiden musste.
Stimmungshöhepunkt
Dies sei als krasses Erlebnis so hängen geblieben, dass er „die Leichtigkeit und dieses spezielle Marathon-Feeling“ erst an diesem Wochenende wiederentdeckt hat. Nicht nur im Drumherum, sondern auch im Rennen. „Die Stimmung und meine Emotionen haben mich getragen.“ Die Marathon-Atmosphäre erreichte gestern in Berlin mit einer gewaltigen Zuschauermasse an diversen Streckenpassagen einen Ausnahmezustand. „Viele gut gefüllte Fußballstadien“, ortete Herzog auf dem 42,195 Kilometer langen Weg durch die deutsche Bundeshaupstadt, das Publikum wollte Zeuge des sporthistorischen Moments durch Eliud Kipchoges Weltrekord (siehe RunAustria-Bericht) werden. „An gewissen Streckenabschnitten war es so laut, dass man nichts anderes mehr gehört hat. So etwas habe ich noch nie erlebt, das war der absolute Wahnsinn!“, so der Österreichische Rekordhalter.
Zwar habe er in London 2020 für sich eine sportlich bemerkenswerte Performance abgeliefert, vom Gesamterlebnis sei der gestrige Tag das beste seit exakt drei Jahren gewesen, als er ebenfalls in Berlin eine Zeit von 2:10:57 Stunden gelaufen ist. Sein Trainer Hannes Langer, der den Marathon vor dem Fernseher verfolgte, staunte ebenfalls über die herausragende Stimmung. „Die Zuschauer betreffend war das selbst für Berlin eine neue Dimension.“ Das Wetter sei nicht nur perfekt für die Läuferinnen und Läufer gewesen, sondern eben auch dafür, etwas in der Stadt zu unternehmen und damit direkt in Kontakt mit dem sportlichen Großereignis zu kommen.
Genugtuung nach drittschnellster Marathonleistung
Sowohl Athlet als auch Trainer waren nach dem Rennen, das für Herzog nach einer Zeit von 2:12:16 Stunden endete, zufrieden, wenngleich beide sich vielleicht eine Spur mehr erwünscht hätten. „Ich sehe diese Leistung unter dem Gesichtspunkt, dass Peter nach zwei Jahren wieder ein gutes Ergebnis verbucht hat“, so Langer, der davor warnte, gerade im direkten Umfeld einer Kipchoge-Ausnahmeleistung und eines furiosen Frauen-Rennens in permanente Superlativen zu verfallen. Auch Herzog fühlte keine Enttäuschung, nur weil er keinen österreichischen Rekord gelaufen ist. „Wenn ich mit einem solchen Marathon nicht zufrieden sein kann, wäre die Gefahr groß, dass man an sich selbst scheitert, weil man die Freude am Marathon verliert. Ich bin zufrieden.“ Nach der langen Vorbereitung, „wie immer mit Höhen und Tiefen, in der man gerade an schwierigen Tagen viel investieren muss“ sei das Ergebnis eine Genugtuung. Langer lobte die perfekte Unterstützung, die sein Schützling von Seiten der erfahrenen Organisation des Berlin Marathon erfahren hat.
Peter Herzogs Halbmarathon-Splits: 1:04:52 / 1:07:24 Stunden
Peter Herzogs 5km-Teilzeiten: 15:24 / 15:19 / 15:26 / 15:23 / 15:25 / 15:52 / 16:00 / 16:20 / 7:09 (2,195 km) Minuten
Eine Rennhälfte am Limit
Lange Zeit war die Hoffnung auf die erste Zeit unter 2:10 Stunden der österreichischen Marathon-Geschichte aufrecht. Herzog ordnete sich wie geplant in eine Gruppe ein, die genau diesen Anspruch auf den Weg brachte. Mit durchschnittlichen Kilometersplits im Bereich zwischen 3:03 und 3:06 Minuten erreichte die Gruppe um Herzog sowie dem deutschen EM-Teilnehmer Johannes Motschmann und dem frisch eingebürgerten, in Hamburg lebenden ehemaligen Eritreer Haftom Welday die Halbmarathon-Zwischenzeit in einer Zeit von 1:04:52 Stunden. „Es war an der Kante“, erzählte Herzog nachher. Ihm wäre lieber gewesen, die Gruppe wäre ein oder zwei Sekunden langsamer gelaufen.
Als Welday pushte, brach die Gruppe früh auf der zweiten Hälfte auseinander, für Herzog begann ab Kilometer 25 ein langer Alleingang ins Ziel, auf dem er auch leiden musste. „Zur Rennhälfte habe ich gehofft, dass die Gruppe noch richtig lange zusammen bleibt, vielleicht bis Kilometer 35. Dann hätte ich von ihrer Dynamik profitieren können.“ Dazu kam es nicht, Herzog war weit davon entfernt, einzubrechen, aber die Pace der ersten Hälfte konnte er nicht halten. „Dennoch waren die letzten Meter durch das Brandenburger Tor die pure Freude!“
Erholung im heimischen Umfeld
Nach seinem Comeback auf der internationalen Marathon-Bühne, die ihm eine neue österreichische Bestleistung der Altersklasse M35 einbrachte und ihn mit 1.123 Punkten für die zweite Marathonleistung des Berechnungszeitraums nach dem Halbmarathon bei Kärnten Läuft (jener in Sevilla wird aktuell nicht angerechnet, Anm.) zurück in die Weltrangliste bringt, wo er damit in der neuen Ausgabe am Mittwoch wieder bester Österreicher vor dem amtierenden Staatsmeister Mario Bauernfeind (KUS ÖBV Pro Team) sein wird, steht nun Erholung an. „In den nächsten Tagen investiere ich sehr viel in Zeit mit meiner Familie. Sieben Wochen im Sommer von zuhause weg zu sein, das sind schwierige Momente, insbesondere, weil meine kleine Tochter das immer mehr mitbekommt“, sagt Herzog. Ohne die perfekte Unterstützung von daheim, bedankte sich der 35-Jährige, wäre diese Art Spitzensport zu betreiben, für ihn nicht praktikabel.
BMW Berlin Marathon