Die beiden Zugpferde sind Weltklassenamen, die die Leichtathletik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt haben. Hinter ihrer Leistungsfähigkeit beim London Marathon 2022 stehen allerdings ein paar Fragezeichen. Denn Kenenisa Bekele, zweifacher Sieger des Berlin Marathon und zweitschnellster Marathonläufer aller Zeiten, wartet seit drei Jahren auf eine Weltklasseleistung. 2021 konnte er als Dritter beim Berlin Marathon und Sechster beim New York Marathon seinen großen Ankündigungen nicht mit Leistung folgen. Außerdem ist der beste Athlet auf den langen Bahndistanzen seiner Ära kein „junger Hupfer“ mehr – der Marathon in London wird sein erster Wettkampf in der Mastersklasse, als 40-Jähriger.
Comeback von Farah
Noch ernüchternder waren die Leistungen vom nur ein Jahr jüngeren Mo Farah in letzter Zeit. Der Brite hat sich entschieden, wohl auch die Aussichtslosigkeit erkennend, bei den Olympischen Spielen in Marathon eine Medaille zu gewinnen, nach dem London Marathon 2019, wo ein Angriff auf den Europarekord misslang, und einem desolaten Auftritt beim Chicago Marathon ein halbes Jahr später, als er als Titelverteidiger nur Achter wurde, vom Marathon abzuwenden. Doch der Zahn der Zeit schien beim Briten besonders heftig zu wüten, zudem machte die Physis nicht mit. Farah verpasste sowohl eine Qualifikation für die Olympischen Spiele als auch für die Weltmeisterschaften, jeweils im 10.000m-Lauf. Der Start beim London Marathon mag auch den Gedanken daran wecken, dass es, nach verpassen der WM in der Nähe seines ehemaligen Lebensmittelpunkts, für den vierfachen Olympiasieger wohl keinen besseren Event gäbe, um sich vom Spitzensport zu verabschieden. Britische Medien haben ebenfalls bereits Anhaltspunkte dafür erkannt.
„Jeder weiß, wie sehr ich den London Marathon liebe. Und so bin ich wirklich aufgeregt, 2022 zurückzukehren. Ich kann es kaum erwarten, mich erneut mit den besten Marathonläufern der Welt zu messen und die tolle Atmosphäre zu genießen. Denn mein letzter Auftritt hier 2019 ist schon ewig her“, wird Farah, der einen Monat zuvor den Halbmarathon in London laufen will, in einer Pressemeldung des London Marathon zitiert. Eventdirektor Hugh Brasher freut sich ebenfalls auf den local hero: „Das ist sein Heimrennen und Teil seiner Geschichte. Er hat als Teenager den Mini Marathon gewonnen und hat als Profi hier Tolles erreicht.“ Mo Farah hält den britischen Marathonrekord und gewann 2018 den Chicago Marathon, damals mit einem Europarekord. Den London Marathon hat er bisher dreimal bestritten.
Auszug aus dem Elitefeld des London Marathon 2022
- Kenenisa Bekele (ETH) – 2:01:41 Stunden (Berlin 2019) – äthiopischer Rekord
- Birhanu Legese (ETH) – 2:02:48 Stunden (Berlin 2019)
- Mosinet Geremew (ETH) – 2:02:55 Stunden (London 2019)
- Amos Kipruto (KEN) – 2:03:13 Stunden (Tokio 2022)
- Sisay Lemma (ETH) – 2:03:36 Stunden (Berlin 2019) – Vorjahressieger
- Bashir Abdi (BEL) – 2:03:36 Stunden (Rotterdam 2021) – Europarekord
- Tamirat Tola (ETH) – 2:03:39 Stunden (Amsterdam 2021)
- Kinde Atanaw (ETH) – 2:03:51 Stunden (Valencia 2021)
- Leul Gebresilase (ETH) – 2:04:02 Stunden (Dubai 2018)
- Vincent Kipchumba (KEN) – 2:04:28 Stunden (London 2021)
- Mo Farah (GBR) – 2:05:11 Stunden (Chicago 2018)
Europarekordhalter misst sich mit der Weltklasse
Titelverteidiger beim London Marathon ist Routinier Sisay Lemma, mittlerweile 31 Jahre alt. Die Qualität des Feldes spiegelt sich auch darin, dass der Äthiopier lediglich die Nummer fünf der nach persönlichen Bestleistungen gereihten Liste ist, den er sich übrigens mit Europarekordhalter Bashir Abdi teilt. Für den belgischen Olympia-Medaillengewinner ist der London Marathon ein nächster bedeutender Schritt: Nachdem er 2021 den Rotterdam Marathon in einer Fabelzeit von 2:03:36 Stunden gewonnen hatte und dort in diesem Jahr, nicht in 100%iger Topform, nicht ganz an seine Leistungsgrenze gehen konnte, misst sich der Trainingspartner von Farah beim London Marathon erstmals mit hohen Ambitionen mit der Weltklasse.
Neben Bekele liegen auch die schnellen Äthiopier Birhanu Legese und Mosinet Geremew, der bei den Weltmeisterschaften an den Start gehen wird, sowie der Kenianer Amos Kipruto, der sich beim Tokio Marathon 2022 als Zweiter hinter Eliud Kipchoge auf eine Zeit von 2:03:13 Stunden gesteigert hat, besser als Lemma in der ewigen Weltbestenliste des Marathonlaufs. Geremew war im Vorjahr in London Dritter und 2019 Zweiter, im Frühling gewann er den Seoul Marathon. Seine Landsleute Tamirat Tola, der vor einem Jahr mit einer frenetischen Leistung den Amsterdam Marathon gewann, und Kinde Atanaw sind die weiteren sub-2:04-Läufer, Leul Gebresilase hat diese Marke knapp verpasst. Zu den Favoriten gehört auch Vincent Kipchumba aus Kenia, der im vergangenen Jahr überraschend Zweiter wurde.
Zum Überspektakel fehlt in London eigentlich nur Eliud Kipchoge – der Weltrekordhalter läuft eine Woche vorher in Berlin (siehe RunAustria-Bericht).
TCS London Marathon