Andrea Mayr (SVS Leichtathletik), die den Berglauf nicht nur auf nationaler Ebene mit einer Erfolgsserie, die ihresgleichen sucht, dominiert, sondern auch international über viele Jahre eine Ausnahmestellung einnahm, geht mit Rückenwind in ihren ersten Wettkampf in dieser Saison. „Ich habe gut und in letzter Zeit verletzungsfrei trainiert. Ich fühle mich fit“, berichtet die 42-Jährige, die im Winter an einigen Wettkämpfen im Skibergsteigen teilgenommen hat, ehe sie eine Schulterverletzung und später eine Erkrankung ausgebremst haben. Die ÖLV-Staatsmeisterschaften im Berglauf stellen den Startschuss in eine spannende Berglauf-Saison dar, in der die Oberösterreicherin neben dem Ziel Staatsmeistertitel auch internationale Erfolge bei den Europameisterschaften und Weltcuprennen im Ausland anstrebt.
Gut zu belaufende Forststraße
Ausgetragen werden die Staatsmeisterschaften auf einer 12,2 Kilometer langen Strecke von Gobernitz am Stadtrand von Knittelfeld hinauf zum Steinplan Schutzhaus. Nach einem rund drei Kilometer langen, asphaltierten Stück mit geringer Höhendifferenz zum Warmwerden findet der entscheidende Teil des Wettkampfs auf einer breiten und gut zu belaufenen Forststraße mit recht konstanter Steigung statt. „Auch wenn es nicht der typische Berglauf ist, erwarte ich spannende Wettkämpfe. Die Streckenlänge ist beachtlich und es sind 1.050 Höhenmeter zu absolvieren“, sagt ÖLV-Berglaufreferent Helmut Schmuck, der die Strecke bestens kennt. Sie ist nicht eine, die auf Mayrs Vorlieben zugeschnitten wäre. „Ich liebe es, auf steilen und abwechslungsreichen Wanderwegen zu laufen. Der Reiz in diesem Wettkampf liegt für mich klar in der sportlichen Wichtigkeit“, so die Serien-Staatsmeisterin. Hinter ihr sind Sandrina Illes (Union St. Pölten) und Nora Havlinova (DSG Wien) Kandidatinnen auf Edelmetall.
Eine Frage der Taktik und der Tagesverfassung
Der beste Bergläufer Österreichs in den letzten Jahren war Manuel Innerhofer (LC Oberpinzgau), der fünf der letzten sechs Staatsmeistertitel für sich beanspruchte. So geht der Salzburger naturgemäß als Favorit ins Rennen. Eine fünfwöchige Pause im Lauftraining im Frühling aufgrund eines Muskelfaserrisses in der linken Wade liegt hinter ihm, die letzten vier Wochen konnte er sein Training sukzessive steigern. „Besonders bergan ist meine Form schon wieder sehr gut“, sagt der 26-Jährige. Ein Testwettkampf gänzlich ohne Erwartungen beim Innsbrucker Stadtlauf brachte „ein überraschend gutes Gefühl“. Innerhofer geht am Sonntag von einem engen Rennen aus, bei dem die richtige Taktik entscheidend sein könnte: „Im Berglauf ist die Tagesverfassung extrem wichtig. Läuft es einmal nicht so optimal, kann man sich nicht wie in anderen Disziplinen ,drüberretten’, sondern büßt sofort viel Zeit ein.“ Die Streckencharakteristik erweckt in ihm die Erinnerung an 2020, als aufgrund eines Wintereinbruchs in St. Johann im Pongau auf einer verkürzten Strecke mit ähnlichem Charakter gelaufen wurde: „Ich fühle mich beim Berglauf sowieso auf jedem Kurs wohl.“
Selbstvertrauen von der Straße
Schmuck erwartet nicht nur aufgrund der starken Besetzung ein enges Rennen um die Medaillen, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass die Strecke Straßenläufern etwas entgegenkommt. Während Manuel Innerhofer im Frühjahr pausieren musste, gelangen seinen Hauptkonkurrenten ausnahmslos persönliche Bestleistungen im Straßenlauf. Markus Hartinger (LTV Köflach) lief in Berlin einen Halbmarathon in 1:04:59 Stunden, Mario Bauernfeind (KUS ÖBV Pro Team) in Wien einen in 1:05:35 Stunden und Hans-Peter Innerhofer (LC Oberpinzgau) in Salzburg einen in 1:06:47 Stunden. Dazu überzeugten Hartinger und Innerhofer mit Gold und Silber bei den Österreichischen Meisterschaften im 10km-Straßenlauf Ende April mit Bestleistungen unter 30 Minuten, Bauernfeind lief vor knapp zwei Wochen in Salzburg als Gesamtsieger zum Staatsmeistertitel im Marathon.
Ein „halbes“ Heimspiel
Ein echtes Heimspiel ergibt sich für den Steirer Hartinger nicht, nachdem sein Verein LTV Köflach die Ausrichtung der Berglauf-Staatsmeisterschaften 2022 zurückgegeben hat und das Team von Manfred Mühlthaler vom Verein ATUS Knittelfeld eingesprungen ist. „Auf steirischem Boden laufe ich am liebsten“, freut sich der 34-Jährige dennoch auf seinen Heimauftritt. Hartinger ist in diesem Frühjahr so gut drauf wie noch nie in seiner Karriere und hat gezielt auf die Berglauf-Saison hingearbeitet. Ein gutes Abschneiden bei den Staatsmeisterschaften soll als Sprungbrett für die EM-Nominierung dienen. Der Silbermedaillengewinner des letzten und Bronzemedaillengewinner des vorletzten Jahres zeigt sich zuversichtlich: „Die Vorbereitungen liefen nach Plan!“
Ein Hineinschnuppern für Bauernfeind
Manuel Innerhofer hat seinen Zwillingsbruder Hans-Peter auf der Rechnung und bescheinigt ihm so stark wie nie zu sein. Auch er selbst bestätigt den Eindruck aus guten, spezifischen Berglauf-Trainingseinheiten, zuletzt trainierten die Zwillinge mit dem Deutschen Filimon Abraham, der tags zuvor den Europacup in Frankreich absolviert (siehe RunAustria-Vorschau). „Ich will mein Bestes geben und hoffe auf das Stockerl zu laufen“, hält der Pinzgauer den Ball flach. Mario Bauernfeind fühlt sich aufgrund seiner Unerfahrenheit im Berglauf in der Außenseiterrolle. Den Marathon in Salzburg hat er gut regeneriert, auch, weil er auf der zweiten Hälfte nicht 100% an seine muskuläre Belastung gehen musste. So viele Interviews, Verpflichtungen und mediale Aufmerksamkeit wie noch nie in seiner Laufbahn haben sein Selbstvertrauen gestärkt. „Es wäre vermessen, mich als Medaillenkandidat zu sehen. Mein Ziel ist es, in den Berglauf hineinzuschnuppern. Vielleicht ist in dieser Disziplin in der Zukunft einiges möglich. Die Strecke könnte mir zugute kommen“, gibt sich der Wiener zurückhaltend.
Österreichischer Leichtathletik-Verband