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Samuel Tefera verhinderte mit einem überragenden Wettkampf und einem großartigen Finale den Triumph des Norwegers in Belgrad. Es ist die vierte erfolgreiche Titelverteidigung in diesem Event. Jakob Ingebrigtsen steht wie der Kenianer Abel Kipsang erstmals auf einem WM-Podest.
Wer das 1.500m-Rennen beim World Athletics Indoor Tour in Liévin am gestrigen Abend vor Augen hatte, wird geglaubt haben, dass zwischen jenem Rennen und der Entscheidung bei den Hallen-Weltmeisterschaften von Belgrad mehr als nur ein Monat gelegen haben muss. Damals hatte der amtierende Hallen-Weltmeister, der diese Diskrepanz auf eine operativ behandelte Achillessehnenverletzung nach den Olympischen Spielen zurückführte, keine Chance gegen den Olympiasieger, der zu einem neuen Hallen-Weltrekord stürmte. Doch in Belgrad, wieder in Topform, drehte Samuel Tefera den Spieß um, konnte in der entscheidenden Phase dem Tempo JakobIngebrigtsens folgen – und das war beileibe nicht langsam. Die Wende vollzog er auf der Zielgerade. Nach dem Iren Marcus O’Sullivan (1987 und 1989, ein dritter Titel folgte 1993), Hicham El Guerrouj (1995 und 1997) und Deresse Mekonnen aus Äthiopien (2010) ist Tefera der vierte Läufer in der Geschichte von Hallen-Weltmeisterschaften, der einen Titel verteidigen konnte. Und das, obwohl dieses Mal vier Jahre dazwischen lagen. „Ich könnte nicht glücklicher sein“, so der 22-Jährige Äthiopier, der den Meisterschaftsrekord seines hochdekorierten Landsmanns Haile Gebrselassie aus dem Jahr 1999 um exakt eine Sekunde auf eine Zeit von 3:32,77 Minuten senkte.
Gold: Samuel Tefera (Äthiopien)Silber: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen)Bronze: Abel Kipsang (Kenia)
Der angstvolle Blick
Jakob Ingebrigtsen, der im Vorfeld darüber sprach, seine Geschrichtsschreibung in Belgrad fortsetzen zu wollen und nach dem Vorlauf noch meinte, er könne sich nicht hinter seinem Olympiasieg und seinem Hallen-Weltrekordlauf verstecken und wolle das gar nicht, machte eine gute Miene zum bösen Spiel. „Natürlich bin ich enttäuscht. Ich war der Beste in dieser Saison und so habe ich die Goldmedaille erwartet. Auf der anderen Seite macht es einen Riesenspaß sich immer wieder mit den besten Athleten der Welt zu messen, alle von uns werden schneller und schneller. Heute habe ich es nicht 100% umsetzen können und bin etwas überrascht, aber so ist es im Sport“, versuchte er gar nicht nach Ausreden zu suchen. Angesprochen auf Tefera meinte der Norweger: „Rivalitäten sind sehr wichtig für den Sport.“ Und: „Aus Niederlagen kann man immer etwas lernen.“
Dass Ingebrigtsen den Wettkampf vielleicht nicht gewinnen würde, war erstmals ausgangs der vorletzten Runde erkennbar, als er über die Schulter blickte. Es war kein Blick, der Sicherheit und Entschlossenheit vermittelte. Als Tefera immer näher rückte und eingangs der letzten Kurve Schulter an Schulter mit dem Skandinavier lief, obwohl dieser das Tempo noch einmal leicht erhöht hatte, blickte er ein weiteres Mal nach hinten. Ingebrigtsen hatte nicht mehr die Kräfte, dem Äthiopier zu widerstehen. Dabei hatte er nach 300 Metern, nachdem Abel Kipsang von der Startlinie weggespurtet war, die Führung übernommen und dem Feld sein Tempo aufgezwungen. Unheimlich regelmäßig und sehr flott. In einer Zeit von 3:33,02 Minuten erreichte Ingebrigtsen wahrlich keine schlechte Zeit, sie hätte immer zum Titel gereicht, außer an diesem Abend. Es ist die erst vierte Medaille für Norwegen bei Hallen-Weltmeisterschaften, die erste im Laufbereich.
Hinter den beiden Topstars der Veranstaltung sicherte sich Abel Kipsang den dritten Platz und belohnte sich mit der Bronzemedaille für eine aufregende Hallensaison. Es ist der erste große Erfolg für den 25-jährigen Olympia-Vierten, der nach dem Rennen, Kenianer-like, große Töne spuckte: „Bei den Weltmeisterschaften in Eugene werde ich darauf achten, dass Tefera und Ingebrigtsen nicht vor mir ins Ziel kommen werden. Dann gewinne ich Gold!“ Während Kipsang sich freute, hatte der Kenianische Leichtathletik-Verband (Athletics Kenya) nichts zu lachen. Der persönliche Erfolg Kipsangs war erst die zweite Medaille bei diesen Titelkämpfen nach Noah Kibets Silberner im 800m-Lauf der Männer – eine furchtbare Ausbeute für den erfolgsverwöhnten Verband aus Ostafrika, der zugegebenermaßen auf eine Reihe seiner Stars verzichten musste. Platz 22 im Medaillenspiegel war dennoch nicht das, was sich die Leichtathletik-Nation Kenia ausrechnete.
Äthiopien erstmals mit meisten Goldmedaillen
Dagegen war Teferas Triumph über Ingebrigtsen das Symbol eines ultimativen für den Äthiopischen Leichtathletik-Verband (EAF). Erstmals in der Geschichte von Hallen-Weltmeisterschaften grüßt Äthiopien von der Spitze des Medaillenspiegels: Viermal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze ist eine berauschende Ausbeute für eine reine Läufernation, die de facto nur sechs Gelegenheiten für Medaillengewinne hatte. Bisher hat fast immer die USA den Medaillenspiegel gewonnen, unterbrochen von Russland 2004 und der Serie sowjetischer bzw. russischer Nationalmannschaften kurz vor und kurz nach dem Fallen des Eisernen Vorhangs.
Farkens nach Rang elf geknickt
Um ein Haar wäre eine zehnte Medaille für Äthiopien dazu gekommen, doch Tedesse Lemi verlor das Duell gegen Kipsang um Bronze nur knapp. Der Australier Oliver Hoare machte ein großartiges Rennen und wurde Fünfter vor dem Briten Neil Gourley.
Robert Farken hatte im Vorfeld angekündigt, offensiv zu laufen und etwas zu riskieren. Das tat er und heftete sich an die Fersen von Gourley, um im schnellen Rennen lange Zeit im guten Mittelfeld zu liegen. Er hatte sich zu viel zu gemutet und beendete das Rennen am Ende am elften Platz. „Das war natürlich nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Dabei habe ich gedacht, dass das heute mein Tag wird. Doch die Beine wollten einfach nicht. Es ist eine Niederlage“, analysierte der 24-Jährige im Bericht auf der Website des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) geknickt.
Ergebnis 1.500m-Lauf der Männer, Hallen-WM 2022
Gold: Samuel Tefera (Äthiopien) 3:32,77 Minuten * Silber: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen) 3:33,02 Minuten Bronze: Abel Kipsang (Kenia) 3:33,36 Minuten **
Teddese Lemi (Äthiopien) 3:33,59 Minuten **
Oliver Hoare (Australien) 3:34,36 Minuten **
Neil Gourley (Großbritannien) 3:35,87 Minuten
Michal Rozmys (Polen) 3:36,71 Minuten **
Pietro Arese (Italien) 3:37,60 Minuten
Sam Prakel (USA) 3:38,40 Minuten **
Isaac Nader (Portugal) 3:39,97 Minuten
Robert Farken (Deutschland) 3:41,29 Minuten
Josh Thompson (USA) 3:44,48 Minuten
* neuer Meisterschaftsrekord ** neue Saisonbestleistung
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