Erste internationale Medaillenchance des Jahres in Belgrad

Mit den Hallen-Weltmeisterschaften steht am kommenden Wochenende die erste Gelegenheit für eine internationale Medaille im ereignisreichen Kalenderjahr 2022 auf dem Programm. In den gut besetzten Laufbewerben kämpfen Topstars und Olympiasieger um die besten Plätze und um historische Erfolge.

© ÖLV / Hallen-WM 2022

Nach der Verschiebung der Hallen-WM 2020 in Nanjing auf das Jahr 2023 richtet Belgrad die 18. Hallen-Weltmeisterschaften der Leichtathletik aus. Es ist die erste am Balkan und nach jener von Birmingham die zweite in Folge in Europa. Austragungsort ist die Stark Arena, früher auch Belgrad Arena genannt, die im Stadtteil Novi Beograd liegt. Unter den zahlreichen Sportereignissen, die in den vergangenen Jahren in der über 18.000 Zuschauer fassenden Arena stattgefunden haben, zählen Davis-Cup-Finalspiele im Tennis, eine Basketball-Europameisterschaft, eine Handball-Europameisterschaft und die Leichtathletik-Hallen-Europameisterschaften im Jahr 2017.

RunAustria-Tipp: Die Hallen-Weltmeisterschaften werden in Österreich und Deutschland im Livestream von World Athletics auf Youtube übertragen. In der Schweiz berichtet der Schweizer Rundfunk (SRG) direkt aus Belgrad.

Youtube-Kanal von World Athletics

Trotz der unüblichen Distanz von vier Jahren zur letzten Hallen-EM sind zehn Titelverteidiger am Start. Mit 680 gemeldeten Athleten könnte die Hallen-WM die größte seit Budapest 2004 oder – sofern alle auch anreisen und starten – sogar seit 1997 in Paris werden. Während die Sportnation Russland sowie der weißrussische Verband aufgrund der Sanktionen der Weltleichtathletik (das betrifft auch ANA-Athleten) fehlen, wird die Ukraine trotz des Krieges in der Heimat in Belgrad vertreten sein. „Die Delegation wird vielleicht klein sein, aber eine ukrainische Flagge wird wehen und wir hoffen, dass auch die Hymne der Ukraine gespielt wird“, sagte Verbandspräsident Yevhen Pronin bereits vor einigen Wochen.

ÖLV mit Duo bei erstem der vielen Saisonhöhepunkte

Österreich, das in der Geschichte von Hallen-Weltmeisterschaften vier Silbermedaillen und eine Bronzene gewonnen hat, ist in Belgrad mit zwei Athleten vertreten: Sarah Lagger (TGW Zehnkampf Union) startet im Fünfkampf der Frauen, Markus Fuchs (ULC Riverside Mödling) tritt im 60m-Sprint an. Beide erhielten vom Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) eine Einladung, um die offenen Startplätze nach Absagen bzw. nicht genügend Teilnehmer mit erfülltem Limit aufzufüllen und nahmen diese an. Sie stellen sich in Belgrad hochkarätiger Konkurrenz, denn aus logistischen und organisatorischen Gründen sind die Starterfelder bei Hallen-Weltmeisterschaften im Vergleich zu den Outdoor-Highlights stärker begrenzt, das gilt insbesondere auch für die Laufdistanzen. Andererseits legt nicht die ganze Weltelite einen hohen Wert auf die Hallen-WM, das folgende Jahr bringt mit Weltmeisterschaften und Europameisterschaften sowie den Commonwealth Games für die dort partizipierenden Nationen mehrere Höhepunkte.

Der Zeitplan für die Laufentscheidungen

  • Freitag, 18. März um 12:30 Uhr: 1.500m-Vorläufe der Frauen
  • Freitag, 18. März um 13:00 Uhr: 800m-Vorläufe der Männer
  • Freitag, 18. März um 13:30 Uhr: 3.000m-Vorläufe der Männer
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  • Freitag, 18. März um 20:30 Uhr: 3.000m-Lauf der Frauen, Finale
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  • Samstag, 19. März um 11:40 Uhr: 800m-Vorläufe der Frauen
  • Samstag, 19. März um 12:15 Uhr: 1.500m-Vorläufe der Männer
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  • Samstag, 19. März um 19:10 Uhr: 800m-Lauf der Männer, Finale
  • Samstag, 19. März um 20:35 Uhr: 1.500m-Lauf der Frauen, Finale
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  • Sonntag, 20. März um 12:05 Uhr: 3.000m-Lauf der Männer, Finale
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  • Sonntag, 20. März um 18:05 Uhr: 800m-Lauf der Frauen, Finale
  • Sonntag, 20. März um 18:35 Uhr: 1.500m-Lauf der Männer, Finale

Hodgkinsons historische Chance

Noch nie hat eine Britin bei Hallen-Weltmeisterschaften den 800m-Lauf der Frauen gewonnen, am Sonntag wird es in Belgrad nicht ganz unwahrscheinlich erstmals so weit sein. Als glasklare Favoritin geht Keely Hodgkinson in die oft auf dieser Distanz diffizile Aufgabe, ihrer Rolle gerecht zu werden. Die junge Engländerin zeigte sich zuletzt allerdings so stark, dass sie die Tempohärte und die taktischen Fähigkeiten dafür mitbringt, die beiden Rennen (Vor- und Finallauf) zu kontrollieren. Alles andere als ein Sieg der 20-Jährigen wäre äußerst überraschend. Um die weiteren Medaillen sollte ein Trio kämpfen, das mit guten Leistungen durch die letzten Woche gekommen ist: Natoya Goule aus Jamaika, die amtierende Outdoor-Weltmeisterin Halimah Nakaayi und die Australierin Catriona Bisset. Dazu kommt US-Meisterin Ajee Wilson, die mit ihrer Erfahrung und Klasse zum erweiterten Favoritenkreis auf die Stockerlplätze zählen muss. Stark präsentierte sich zuletzt die Kanadierin Madeleine Kelly.

Bekannte Duelle bei den Männern

Bei den Männern kommt es zum ultimativen Rematch jener Protagonisten, die bereits während der gesamten World Indoor Tour die besten Plätze ausgefochten haben. Die Weltjahresbestenliste führt Mariano Garcia an. Der Spanier hat in Staten Island mit spanischem Hallenrekord und in Liévin gewonnen. Den Gesamtsieg hat sich allerdings Elliot Giles gesichert, der in Liévin noch hinter Garcia blieb, beim Finale in Madrid das direkte Duell gegen den Spanier aber gewann. Der Brite hat alle wichtigen Wettkämpfe in diesem Winter auf europäischem Boden bestritten, feierte drei Siege in der World Indoor Tour Gold und wurde zweimal Zweiter, außerdem wurde er britischer Meister. Als zweitschnellster 800m-Läufer in der Halle aller Zeiten ist der 27-Jährige, sofern er weiterhin in einer guten Verfassung ist, der logische Favorit auf Hallen-WM-Gold.

Mit um die Medaillen kämpfen will auch US-Meister Bryce Hoppel, der in den letzten Wochen einen guten Eindruck hinterlassen hat, aber nur einmal in Konkurrenz zu den besten Europäern gelaufen ist. In Staten Island wurde er hinter dem entfesselten Garcia Zweiter. Kenias Nummer eins Collins Kipruto sowie der Hallen-Europameister von 2019, Alvaro de Arriba, bei den spanischen Meisterschaften Sieger vor Garcia, zählen ebenfalls zum engeren Kreis der potenziellen Titelgewinner. Alle genannten haben bei Hallen-Weltmeisterschaften noch nie Edelmetall gewonnen. Giles war 2018 Vierter vor de Arriba, Garcia war beim de-Arriba-Sieg bei der Hallen-EM 2019 Vierter und Hoppel war WM-Vierter von Doha 2019 outdoor. Für den 27-jährigen Kipruto, seit Jahren ein Siegläufer bei Meetings in Europa der zweiten Reihe, ist es sein Debüt auf der höchsten Ebene.

Für Kenia ist der junge Noah Kibet, Junioren-WM-Medaillengewinner des letzten Jahres, der zweite Starter, der zweite Amerikaner ist Senkrechtstarter Shane Streich. In der Halle noch nie wirklich erfolgreich war der Kanadier Marco Arop, der im letzten Jahr allerdings eine sehr gute Saison Freiluftsaison hatte und daher mit viel Rückenwind in die neue Saison gehen dürfte. Der 23-Jährige ist als Weltranglisten-Dritter der einzige neben Giles und Amel Tuka aus den Top-Ten der Weltrangliste, der in Belgrad am Start ist. Giles ist Fünfter, Tuka, der traditionell in der Halle nicht so stark ist wie outdoor und bisher kein schnelles Rennen aufweisen kann, liegt auf Rang zehn der Weltrangliste und gehört nicht zu den Medaillenkandidaten. 27 Läufer sind gemeldet, sechs kommen ins Finale.

Ingebrigtsens Attacke auf das erste WM-Gold

Früh in seinem Sportlerleben hat Jakob Ingebrigtsen den Olymp erklommen, mit 20 Jahren in Tokio. Nun ist der Norweger 21 und der haushohe Favorit auf seine erste WM-Medaille, in Wahrheit auf sein erstes WM-Gold. Bei seinem einzigen Wettkampf in diesem Winter verbesserte das nordeuropäische Ausnahmetalent den Hallen-Weltrekord.

Alles andere als ein Triumph des Norwegers wäre eine Überraschung, zumal er gelernt hat, auch taktisch richtige Entscheidungen zu treffen. Die Nummer zwei der Meldeliste ist der ehemalige Weltrekordhalter und Titelverteidiger Samuel Tefera, der im direkten Duell mit Ingebrigtsen in Liévin allerdings chancenlos war. Gute Medaillenchancen haben der Kenianer Abel Kipsang und der in diesem Winter starke Spanier Adel Mechaal, sofern dieser über 1.500m antritt. Wahrscheinlicher ist, dass Mechaal den 3.000m-Lauf bestreitet, zumal mit Ignacio Fontes und Saul Ordonez zwei weitere Spanier über 1.500m gemeldet sind.

Für die Qualität des Feldes spricht die Tatsache, dass fünf der Top-Neun der World-Athletics-Weltrangliste am Start sind. Die Nummer eins (Timothy Cheruiyot) und die Nummer drei (Stewart McSweyn) fehlen, beide haben die Hallensaison nicht bestritten. Australiens Nummer zwei Olivier Hoare ist in Belgrad, Olympia-Medaillengewinner Josh Kerr verzichtet auf die Hallen-WM. In diesem guten Feld eine gute Rolle um den Finaleinzug sollte der Deutsche Robert Farken spielen. Der 24-Jährige bringt eine für Meisterschaftsrennen oft wichtige Stärke mit. Bei den deutschen Meisterschaften, ein langsames Rennen, legte er eine phänomenale Teilzeit von unter 37 Sekunden für die letzten 300 Meter hin (äquivalent mit einer 23-24er Runde). Ein Split, der sogar international für Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Tsegay in eigener Liga

Die klarste aller Favoritenrollen in den sechs Laufentscheidungen hat Gudaf Tsegay inne, die den 1.500m-Lauf der Frauen in Abwesenheit der anderen Weltklasse-Mittelstreckenläuferinnen Faith Kipyegon, Sifan Hassan und Laura Muir (Rückenverletzung) wohl nur durch ein großes Hoppala nicht gewinnen kann. Alle bisherigen Auftritte in diesem Winter dominierte sie gegen die nun auch in Belgrad anwesende Konkurrenz und bewegte sich auf einem grandiosen Niveau, nahe ihres eigenen Weltrekords. Trotz dieser Favoritenrolle ist der Bewerb nicht schlecht besetzt, sieben der Top-14 der Weltrangliste sind am Start, Tsegay gehört nicht dazu, weil sie zuletzt eher auf längeren Distanzen unterwegs war. Mit den weiteren Äthiopierinnen Axumawit Embaye und Hirut Meshesha (Tsegay hat eine Wildcard) kämpfen die beiden US-Amerikanerinnen am Start (Heather MacLean und eine aus Josette Norris oder Elinor Purrier – wohl Norris) und Winnie Nanyondo aus Uganda realistischerweise um die Medaillen. Die beiden australischen Topläuferinnen Jessica Hull und Linden Hall konnten in den vergangenen Wochen nicht so überzeugen.

Äthiopische Favoriten im 3.000m-Lauf

Der 3.000m-Lauf der Männer könnte eine rein äthiopische Auseinandersetzung werden. Dank Lamecha Girmas Gesamtsieg in der World Athletics Indoor Tour hat der Verband drei Startplätze und besetzt diese mit dem Weltjahresschnellsten Berihu Aregawi, Girma und Selemon Barega. Aregawi ist Weltrekordhalter im 5km-Straßenlauf, Barega Olympiasieger im 10.000m-Lauf. Selbst wenn insbesondere Barega in den vergangenen Wochen nicht in absoluter Topform schien, ist dieses Niveau die gegenwärtige Weltklasse. Mit diesem Tempo mitkommen sollten maximal Mechaal, der in Staten Island einen Europarekord für Hallenrennen gelaufen ist (7:30,82), und der Kenianer Jacob Krop. Dessen Landsmann Daniel Simiu sprach gegenüber kenianischen Medien protzig von WM-Gold. Gut platziert in der Meldeliste sind auch einige Europäer: der neue schwedische Rekordhalter Andreas Almgren, der Deutsche Maximilian Thorwirth, der auf eine starke Hallensaison zurückblickt, und der neue Schweizer Rekordhalter Jonas Raess. Für sie alle ist der Finaleinzug bei einer guten Leistung in Reichweite.

Mit George Beamish ist in diesem Bewerb einer der wenigen Neuseeländer mit dabei. Der neuseeländische Verband hat aus Pandemiegründen (Omikron hat die Pandemie auch in die entlegendsten und bisher abgeschotteten Weltgegenden gebracht) darauf verzichtet, Athleten aus Neuseeland zur Hallen-WM zu schicken. Damit sind nur Neuseeländer am Start, die außerhalb ihrer Heimat leben, wie zum Beispiel der in den USA studierende Beamish, der in New York ein World Athletics Indoor Tour Rennen gewonnen hat. Mit Elzan Bibic ist in diesem Bewerb auch der beste serbische Läufer am Start, eine Finalteilnahme ist dem 23-Jährigen zuzutrauen.

Nordamerikanerinnen fordern Äthiopierinnen

Auch bei den Frauen liegt die Favoritenrolle auf Seiten der Äthiopierinnen. Dawit Seyaum und Ejgayehu Taye brillierten im Winter sowohl auf der Straße als auch in der Halle und führen die Meldeliste an. Am ehesten kommen die Nordamerikanerinnen in Frage, das Duo herauszuforden: die US-Amerikanerinnen Elinor Purrier St. Pierre und Alicia Monson sowie die Kanadierin Gabriela DeBues-Stafford. Noch vor der besten Europäerin in der Meldeliste, Hallen-Europameisterin Amy-Eloise Markovc aus Großbritannien, liegen die Australierin Jessica Hull, die Kenianerin Beatice Chebet und die zuletzt starke Mexikanerin Laura Galvan. Während bei den Männern Vorläufe anstehen, bestreiten die 3.000m-Läuferin lediglich einen Finallauf.

Hallen-Weltmeisterschaften 2022 in Belgrad

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