Der 20-jährige Cole Hocker, amtierende US-Meister im 1.500m-Lauf outdoor und überraschend starker Sechster bei den Olympischen Spielen im von Jakob Ingebrigtsen gewonnen 1.500m-Lauf der Männer, war der Star der Laufbewerbe bei den US-amerikanischen Hallenmeisterschaften in Spokane im US-Bundesstaat Washington. In Abwesenheit seines „Buddys“ Cooper Teare, den ein positiver COVID-19-Test ausgebremst hat, gewann er am Samstag mit einem Frontrun den 3.000m-Lauf in einer Zeit von 7:47,50 Minuten vor Emmanuel Bor und Dillon Maggard und komplettierte das Doppel am Sonntag über die halbe Distanz. In einem aufgrund der Enge und hohen Qualität faszinierend spannenden Rennen, bei dem gleich fünf Läufer unter dem 18 Jahre alten Meisterschaftsrekord blieben, setzte sich Hocker im Endspurt in einer Zeit von 3:39,09 Minuten vor Josh Thompson (3:39,24) und Henry Wynne (3:39,60) durch. Noch 200 Meter vor dem Schluss war Hocker auf Rang vier gelegen, Thompson schnappte er sich erst in den letzten Atemzügen des Wettkampfs. Einen derartigen Doppelschlag bei US-amerikanischen Meisterschaften unter dem Hallendach hat es laut „Let’sRun.com“ erst zweimal gegeben: 2013 durch Will Leer, 2018 durch den mehrfachen internationalen Medaillengewinner Paul Chelimo.
Purrier St. Pierre auf der Zielgerade überrumpelt
Eigentlich hätte die Erfolgsgeschichte von Cole Hocker gerne Elle Purrier St. Pierre produziert, doch die beste amerikanische Mittelstreckenläuferin der letzten Jahre war die große Verliererin am Auftakttag der Laufbewerbe. Das 1.500m-Rennen der Frauen produzierte einen der knappsten Zieleinläufe am Ende eines der interessantesten Meisterschaftsrennens der letzten Jahre. Die Favoritin, bekannterweise gerne Frontrunnerin, führte das Rennen mit flottem Schritt an. Als es in die heiße Phase ging, attackierte ihre Rivalin Josette Norris sie zweimal, zweimal gelang der Konter. Aus der letzten Kurve heraus führte Purrier St. Pierre immer noch, als Heather MacLean mit Sieben-Meilen-Stiefeln angespurtet kam. Es entwickelte sich ein hautenges Finish. MacLean schob sich außen im letzten Augenblick in Führung und siegte in einer Zeit von 4:06,09 Minuten. Noch bitterer für Purrier St. Pierre, der auf der Innenbahn etwas das Gas ausging: Im letzten Schritt schob sich in der Mitte auch Josette Norris an ihr vorbei und löste 4:06,13 Minuten nach dem Startschuss die Zeitnehmung um eine winzige Hundertstelsekunde früher aus als die Favoritin, die erstmals seit drei Jahren ein Rennen über 1.500m oder der Meile auf US-Boden verlor. Sie ist damit nicht für die Hallen-WM in Belgrad qualifiziert, MacLean nach ihrem ersten nationalen Titel und Norris schon.
Wiedergutmachung betrieb die 27-Jährige am Folgetag, als sie den hochklassigen 3.000m-Lauf in einer Zeit von 8:41,53 Minuten dank einer grandiosen Schlussrunde vor Alicia Monson und Weini Kelati gewann. Damit hatte Purrier St. Pierre, die nur knapp am 32 Jahre alten Meisterschaftsrekord von Lynn Jennigs vorbeischrammte, doch noch ihr WM-Ticket für Belgrad (18.–20. März) ergattert. Anschließend sagte sie im Interview mit „Let’sRun“, dass sie mit Wut im Bauch gelaufen ist und sich das leistungsfördernd ausgewirkt hätte.
Wilson und Hoppel überlegen
Ihren bereits achten US-Hallen-Titel sicherte sich Ajee Wilson im 800m-Lauf. In Abwesenheit der Olympiasiegerin Athing Mu profilierte sich die 27-Jährige und siegte auf überzeugende Weise in einer Zeit von 2:01,72 Minuten mit vier Zehntelsekunden vor Olivia Baker, deren zweiter Platz sich nach tollen Leistungen in den letzten Wochen ebenfalls angekündigt hatte. Der Kampf um Rang drei entschied sich im Fotofinish zugunsten von Brooke Feldmeier.
Bei den Männern gab es eine Machtdemonstration durch Bryce Hoppel, der das Rennen mit einer Sekunde Vorsprung auf Isaiah Harris und Shane Streich gewann. Mit einer Leistung von 1:45,30 Minuten blieb der 24-Jährige in der Weltjahresbestenliste lediglich hinter dem spanischen Rekordhalter Mariano Garcia und – kurioserweise – seinem Landsmann Brandon Miller, der gar nicht in Spokane weilte, aber tags zuvor bei einem Indoor-Meeting im texanischen College Station eine Zeit von 1:45,24 Minuten gelaufen ist. Miller ist international völlig unbekannt.
Comeback der US-Meisterschaften
Die US-amerikanischen Hallen-Meisterschaften fanden erstmals seit zwei Jahren statt, nachdem sie 2021 aus Pandemiegründen vom US-amerikanischen Leichtathletik-Verband (USATF) abgesagt worden sind – so zum Beispiel auch die britischen Hallenmeisterschaften 2021. Interessant ist, dass mit Ausnahme von Josh Thompson die komplette Elite des Bowerman Track Clubs, einem der großen Trainingszentren in den USA, die US-amerikanischen Hallenmeisterschaften ausließen. Im BTC laufen u.a. Matt Centrowitz, Elise Cranny, Grant Fisher, Courntey Frerichs, Evan Jager oder Karissa Schweizer.
Ergebnisse US-amerikanische Hallen-Meisterschaften 2022
800m-Lauf der Frauen
Gold: Ajee Wilson 2:01,72 Minuten
Silber: Olivia Baker 2:02,14 Minuten
Bronze: Brooke Feldmeier 2:03,01 Minuten
- Michaele Meyer 2:03,01 Minuten
- Sadi Henderson 2:03,92 Minuten
- Sammy Watson 2:03,92 Minuten
800m-Lauf der Männer
Gold: Bryce Hoppel 1:45,30 Minuten
Silber: Isaiah Harris 1:46,30 Minuten
Bronze: Shane Streich 1:46,86 Minuten
- Colin Schultz 1:46,90 Minuten *
- Erik Sowinski 1:47,46 Minuten
- Drew Windle 1:47,72 Minuten
1.500m-Lauf der Frauen
Gold: Heather MacLean 4:06,09 Minuten
Silber: Josette Norris 4:06,13 Minuten
Bronze Elle Purrier St. Pierre 4:06,14 Minuten
- Cory McGee 4:07,27 Minuten
- Dani Jones 4:08,14 Minuten
- Nikki Hiltz 4:10,87 Minuten
1.500m-Lauf der Männer
Gold: Cole Hocker 3:39,09 Minuten **
Silber: Josh Thompson 3:39,24 Minuten
Bronze: Henry Wynne 3:39,60 Minuten
- Sam Prakel 3:39,92 Minuten
- Vincent Ciattei 3:39,97 Minuten *
- Colby Alexander 3:41,43 Minuten
- Craig Engels 3:41,81 Minuten
3.000m-Lauf der Frauen
Gold: Elle Purrier St. Pierre 8:41,53 Minuten
Silber: Alicia Monson 8:43,86 Minuten
Bronze: Weini Kelati 8:47,77 Minuten
- Dani Jones 8:49,44 Minuten *
- Millie Paladino 8:53,41 Minuten *
- Elena Henes 8:54,13 Minuten
3.000m-Lauf der Männer
Gold: Cole Hocker 7:47,50 Minuten
Silber: Emmanuel Bor 7:48,64 Minuten
Bronze: Dillon Maggard 7:49,05 Minuten
- Connor Mantz 7:49,63 Minuten
- Drew Hunter 7:49,43 Minuten
- Brian Barraza 7:50,70 Minuten
* neue persönliche Bestleistung
** neuer Meisterschaftsrekord
US-amerikanischer Leichtathletik-Verband