„Ich kann es kaum erwarten, in Neapel zu laufen“, verriet Yemaneberhan Crippa, der diverse Landesrekorde auf der Bahn hält, vor einigen Tahen in einem Interview mit dem Veranstalter. Es ist nicht sein erster internationaler Halbmarathon, aber es soll der erste mit einer Zielankunft werden. „Meine Trainings sind sehr gut gelaufen, ich will ein großes Rennen laufen.“ Die COVID-19-Infektion, die kurz vor Jahresende entdeckt wurde und Starts beim BOclassic und dem Cross Campaccio verhinderten, habe ihn nicht ausgebremst. Ein paar Tage Schnupfen und Husten und dann Abflug nach Kenia. Eher seien ihm die Atemprobleme, die ihn bei der Crosslauf-EM zum plötzlichen Aufgeben gezwungen haben, noch als Mahnmal in Erinnerung.
Auf den Straßen des Rivalen der sportlichen Liebe
Der 25-jährige Norditaliener ist erst vor einigen Tagen von seinem Trainingslager in Iten zurückgekehrt, wo er schon seit vielen Jahren immer wieder hinreist. Zwischen Rückreise und Abfahrt in den italienischen Süden verbrachte er einige Tage im Kreise seiner Familie. Im zweiten Teil des Interviews ging es – wie es sich für Italiener gehört – um Calcio. Seit Kindheit sei Crippa großer Anhänger von Inter Mailand, aber auf der Play Station spielt er nur mit der SSC Napoli, pikanterweise aktuell einer der großen Kontrahenten seines Lieblingsclubs um die Meisterschaft.
Wesentlich interessanter für die Laufsportfans war jedoch seine Ankündigung, einen Kilometerschnitt von 2:50 Minuten trainiert zu haben. Hält er das durch, würde ihn das befähigen, den italienischen Halbmarathon-Rekord von Eyob Faniel, im November Dritter beim New York City Marathon, zu attackieren – 1:00:07 Stunden. Keine leichte Nummer, erst recht, weil die Strecke des Napoli City Halbmarathon durch einige Höhenmeter nicht die allerleichteste ist – nach dem Regen dieser Tage ist die Wetterprognose für Sonntagmorgen aber für Läufer prächtig.
Wanders auf dem Weg zum Marathon-Debüt
Nach einem schwierigen Jahr 2021 begibt sich Julien Wanders auf den Weg zurück zu alter Stärke und de erste Tendenz zeigt in die richtige Richtung. Beim Valencia Ibercaja 10K Anfang Jänner blieb er zwar eine Minute über seinem Europarekord, den er auf derselben Strecke zwei Jahre zuvor aufgestellt hatte, der Result Score nach World Athletics Zahlen schilderte aber das beste Resultat seit Dezember 2020. Auch Wanders, der vom italienischen Trainer Renato Canova gegoacht wird und im April sein Debüt im Marathon geben will, trainierte zuletzt in Iten und sieht den Napoli City Halbmarathon als weitere Standortbestimmung, in absoluter Spitzenform wird er aufgrund seiner Planung daher nicht sein. Mit Morgan Le Guen, der zuletzt eine Bestleistung nach der anderen lief, ist ein zweiter starker Schweizer im Feld. Auch zwei Deutsche stehen im Elitefeld: Tobias Blum und Filimon Abraham, der unter 1:03 Stunden laufen möchte.
Die 59 im Visier
An der Spitze des Feldes soll die erste Zeit unter einer Stunde bei dieser noch jungen Veranstaltung fallen. Zwei Gründe sprechen dafür: erstens die gute Wetterprognose, zweitens die starke Besetzung. Crippa hat die Startnummer eins, Wanders den schnellsten Vorwert, doch in den Kampf um den Sieg werden auch die Afrikaner tatkrätig eingreifen. Zum Beispiel Solomon Berihu aus Äthiopien, 2019 Zweiter beim Delhi Halbmarathon in 59:17 Minuten und kurz davor Sieger bei Dam tot Damloop in Amsterdam, oder die Kenianer Wisley Kibichii, Amos Kurgat und Augustine Choge.
Schöneborn im Kampf um Top-Drei
An der Spitze nicht so hochklassig besetzt ist das Rennen der Frauen mit Ftaw Zeray aus Äthiopien, die 2021 in Berlin eine Zeit von 1:08:30 Stunden gelaufen ist, an der Spitze. Dafür bietet sich die Chance für zwei Europäerinnen auf gute Platzierungen. Rabea Schöneborn besitzt eine Halbmarathon-Bestleistung von 1:10:35 Stunden. Es ist ihr erstes Rennen für ihren neuen Club, dem SSC Berlin. Die italienische Topläuferin Sofiia Yaremchuk ist einmal zwei Sekunden schneller gelaufen. Ob sie angesichts der Entwicklungen in ihrem Geburtsland Ukraine mit guter Laune an die Startlinie schreiten wird, darf sehr bezweifelt werden.
Aufbruchstimmung in Neapel
4.300 Startplätze sah der Veranstalter für den Event am Sonntag vor. Vorab konnten nicht alle an Laufbegeisterte angebracht werden. Der Verkauf wurde spät gestartet, denn erst im Dezember sah man im Geflecht der vergleichsweise scharfen COVID-19-Maßnahmen der italienischen Regierung die realistische Chance einer Austragung. Die Freude über die Rückkehr des Laufsports in die süditalienische Millionenstadt unterstützt der Veranstalter mit einer starken Botschaft: „Neapel läuft für die wirtschaftliche und soziale Rechtmäßigkeit und eine Reihe von Werten, die seine Bürger dazu animieren, für das Gemeinwohl zu leben.“ Vom Italienischen Leichtathletik-Verband (FIDAL) folgte das inspirierende Statement: „Der Napoli City Halbmarathon ist das Signal des Neustarts für alle internationalen Läufe, die traditionell im Frühling in Italien stattfinden – ein essentieller Schritt für den postpandemischen Laufsport.“
Napoli City Halbmarathon
