Schmerzende Sehne – Herzogs Unsicherheit vor Sevilla
Ein muskuläres Problem im hinteren Oberschenkel, das auf eine Sehne ausstrahlt und an ihr Schmerzen verursacht, hat Peter Herzogs Start beim Sevilla Marathon am Sonntag bedroht. Gemeinsam mit seinem Trainer Johannes Langer hat er sich heute für ein Antreten entschlossen – mit reduzierter Zielsetzung, Startnummer 33 und einigen Fragezeichen.

© SIP / Johannes Langer
„Das Positive ist, wir werden hinfahren“, klang Peter Herzog (Union Salzburg LA) im Gespräch mit RunAustria erleichtert. Diese Aussage schildert auch, dass ein gewisser Optimismus zurückgekehrt ist, denn sein geplanter Start beim Sevilla Marathon am Sonntag hing tagelang am seidenen Faden. „Peter hat ein riesiges Problem an der Sehne im hinteren Oberschenkel. Jedes Mal, wenn er den Fuß bei hohem Tempo aufsetzt, steht sie unter Spannung und schmerzt“, schildert sein Trainer Johannes Langer. Ein stechender Schmerz bei jedem Schritt, verdeutlicht der österreichische Marathonrekordhalter, der gegenwärtig nach etwa einer halben Stunde Laufen im hohen Tempo erstmals und dann ständig auftritt. Im lockeren Joggingschritt macht sich die streikende Sehne nicht bemerkbar.
Ein kalkuliertes Risiko
Tagelang hingen die beiden in den Seilen zwischen der Vernunft, die Gesundheit des Athleten nicht aufs Spiel zu setzen und dem Willen, an der Startlinie zu stehen. Sie einigten sich logischerweise, das Risiko einer Verschlimmerung der Verletzung unbedingt vermeiden zu wollen. Nach einem Belastungstest am heutigen Donnerstag kamen sie zur Entscheidung, es zu versuchen. „Natürlich gehen wir ein Risiko ein“, gesteht Langer. „Wir würden das nicht tun, hätte Peter aktuell nicht so viel drauf.“
Die ominöse Stelle ist eine kleine Achillesferse bei Herzog, die sich durch gezielte physiotherapeutische Behandlung in den letzten Wochen beruhigen ließ. Den Ursprung der jetzigen Misere bildete ein Corona-Ausbruch in einem Physiotherapie-Zentrum in Monte Gordo, Herzog konnte sich zwei Wochen lang nicht behandeln lassen, da seine Physiotherapeutin in Quarantäne saß, erzählt sein Coach. Seit dem Wochenende weilt Peters Cousin Andreas Herzog, sein Physiotherapeut des Vertrauens, an der Algarve. „Vor zwei Tagen hätte ich gesagt, aussichtslos“, schildert der Athlet eine konstante, leichte Verbesserung dank der Behandlungen, die einen leichten Optimismus zurückkehren ließen. Das gute Gefühl in der Behandlungs- und Ruhephase und zu Beginn eines Laufs würden zeigen, dass die Behandlung wirkt. Langer lobt die hoffnungsfrohe Einstellung seines Schützlings, der nicht mehr so niedergeschlagen wirkt wie vor einigen Tagen.
EM-Limit im Blick
Einen kräftigen Anteil an der realistischen Startmöglichkeit am Sonntag hat auch Herzogs Salzburger Sportarzt Mahdi Sareban, der aus der Ferne am Fitnessprozess des Läufers mitarbeitet und sich in Salzburg die Kompetenz der Mannschaftsärzte von Red Bull Salzburg eingeholt hat. Nach dem Sevilla Marathon will Herzog die Ursache der Probleme am hinteren Oberschenkel genau ergründen.
Seit zehn Tagen absolviert er nicht mehr jenes Lauftraining, das in der unmittelbaren Vorbereitung des Marathons geplant gewesen wäre. Die Ambitionen für Sonntag sind gesunken, Langers Hoffnung, dass Herzog das EM-Limit von 2:14:30 Stunden trotz dieser Vorzeichen erfüllen kann, sind in einer realistischen Dimension präsent. „Er ist in einer unglaublichen Form“, betont er. Wäre er, ohne Schmerzen. Für Herzog ergibt sich dadurch ein bitterer Beigeschmack. Seine Devise für Sonntag: „Ich bin leicht optimistisch, aber sehr realistisch und natürlich ehrlich gegenüber mir selbst.“ Seine Hoffnung: Dass das Verhalten der Sehne im Wettkampffeeling etwas günstiger ist als bei Trainingsläufen.
Marathon-Comeback des 40-jährigen Lamdassem
Der Sevilla Marathon ist der erste große Marathon in Europa im neuen Kalenderjahr und hat sich in den letzten Jahren zu einem Geheimtipp für ein schnelles Rennen früh in der Saison entwickelt. Heuer ist die Sehnsucht für europäische Marathonläufer nach einem hochklassigen Marathon im Februar offenbar sehr groß, nicht weniger als 16 Läufer mit einer Bestleistung unter 2:11:15 stehen am Start – allein vom Alten Kontinent. Neben Herzog, der im Falle einer Topform seine persönliche Bestleistung attackiert hätte, sind das klingende Namen aus mehreren Ländern. Zum Beispiel der ehemalige spanische Rekordhalter Ayad Lamdassem, der sich kurzfristig für ein Antreten in Andalusien entschieden hat. Es ist sein erster Marathon seit seinem sensationellen Auftritt bei den Olympischen Spielen, als er auf Platz fünf ins Ziel kam.
Oder sein Landsmann Javier Guerra, der hier vor drei Jahren seine persönliche Bestleistung von 2:07:27 Stunden gelaufen ist. Oder der ehemalige Europameister Daniele Meucci, der im Herbst in Barcelona den schnellsten Marathon seiner Karriere gelaufen ist. Oder der ehemalige Europarekordhalter Sondre Nordstad Moen, dem wie Herzog noch das EM-Limit fehlt. Oder das französische Trio Hassan Chahdi, Nicolas Navarro und Florian Carvalho, das sich 2020 in Valencia unter bzw. knapp über 2:10 Stunden weit vorne in den französischen Bestenlisten festgesetzt hat. Dazu mit Dani Mateo noch ein dritter starker Spanier. Etliche Läufer haben überdies die 2:14:30 Stunden im Blick.
Galimany schielt auf den spanischen Rekord
Nicht viel anders ist es bei den Frauen, wo die ehemalige Siegerin des Florenz Marathon, Jess Piasecki die stärkste Europäerin im Rennen ist. Die Britin kommt mit der Empfehlung eines pfeilschnellen Halbmarathons von 1:07:20 Stunden von vor einem Monat in Santa Pola nach Sevilla. Ihre Landsfrauen Stephanie Davies und Sonia Samuels gehören mit der Schwedin Charlotta Fougberg, dem holländischen Routinier Andrea Deelstra und der Spanierin Marta Galimany zu den stärksten Europäerinnen. Galimany fehlt nicht viel zum spanischen Marathonrekord von Ana Isabel Alonso, der bei einer Zeit von 2:26:51 Stunden liegt. Die spanische Top-Marathonläuferin wird von ihrem Lebenspartner Jordi Toda trainiert und hat einen Studienabschluss in Umweltwissenschaften an der Universität in Barcelona. Ihrer Liebe zur Umwelt entstammt einer Tradition: Die letzten Trainings vor wichtigen Wettkämpfen absolviert sie immer im Ebro-Delta, ihrem Lieblingsort. Die Wetterprognose für Sonntagvormittag sieht für das Schnelllaufen gut aus: leichte Bewölkung und Temperaturen im niedrigen zweistelligen Bereich.
Nächster Anlauf für Dattke
Aus deutscher Sicht interessiert der zweite Marathon-Anlauf von Miriam Dattke, die beim Valencia Marathon mit Magenproblemen aufgeben musste. Ihr Manager Christoph Kopp kündigte eine geplante Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:13:30 Stunden an, Simon Stützel wird die 23-Jährige als Tempomacher begleiten. Die Schwedin Samrawit Mengsteab, eine erfolgreiche Crossläuferin, ist eine zweite spannende Marathon-Debütantin. Dattkes Landsfrau Rabea Schöneborn hatte den Sevilla Marathon ursprünglich geplant, wird aber nicht am Start sein.
Offenes Elitefeld bei den Männern
Die ohnehin schon dichten Starterfelder werden aufgefüllt mit einem dichten Starterfeld in hohem Leistungsbereich aus anderen Kontinenten, die großen Namen der internationalen Szene fehlen allerdings. Noch halbwegs übersichtlich ist es bei den Frauen, wo Alemu Megertu aus Äthiopien in der Favoritenrolle weilt. Sie hat 2019 den Rom Marathon gewonnen und wurde beim Frankfurt Marathon in einer persönlichen Bestleistung von 2:21:10 Stunden Zweite. Sintayehu Hailemichael, Meseret Gola und Yeshi Chekole sind die weiteren Athletinnen mit Bestleistungen unter 2:25 Stunden. Die Peruanerin Gladys Tejeda, die Amerikanerin Allie Kieffer, die Israelin Beattie Deutsch sowie die Argentinierinnen Daiana Ocampos und Florencia Borelli komplettieren das bunte Feld. Die Startnummer eins hat der Veranstalter übrigens den Lokalmatadoren zugeschanzt: Marta Galimany und Ayad Lamdassem.
Bei den Männern weisen insgesamt nicht weniger als 20 (!) Läufer eine persönliche Bestleistung von unter 2:08 Stunden auf. Das Feld scheint völlig offen: Der einzige mit einem besseren Vorwert als Moen ist Dadi Yami, der 2012 den Dubai Marathon in 2:05:41 Stunden gefinisht hat. Der Äthiopier ist allerdings schon 40 Jahre alt und in den letzten zehn Jahren nur dreimal unter 2:10 Stunden gelaufen. Bekannte Namen im Feld sind der Marokkaner Mohamed Ziani, der ehemalige Weltmeister Ghirmay Ghebreslassie, Israels Beste Maru Teferi und Amare Girmaw, sowie der ehemalige Sieger des Salzburg Marathon, Victor Kipchirchir. Ein europäischer Sieg ist nicht ausgeschlossen, insbesondere dann, wenn Sondre Moen oder Ayad Lamdassem in Topform sind.
Die Veranstaltung, die 11.000 Startplätze vorgesehen hat, ist seit Monaten ausverkauft – fast ein Drittel der Teilnehmer kommt aus dem Ausland, vertreten sind 82 Nationen.