Purrier lässt Klosterhalfen keine Chance

Die Wiederauflage des unfassbaren Rennens vor zwei Jahren brachte eine Verdeutlichung des damaligen Ergebnisses: Elle Purrier dominierte das Indoor-Meilenrennen bei den Millrose Games in New York klar und ließ Konstanze Klosterhalfen nicht den Hauch einer Chance. Die 114. Auflage des ältesten Hallen-Meetings der Welt war ein Feiertag für die Läufer aus Ozeanien.

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Die Nordamerika-Rekordhalterin Elle Purrier St. Pierre, wie sie nach ihrer Hochzeit mit vollem Namen heißt, hatte nach den für ihre Verhältnisse und Erwartungen eher enttäuschenden Olympischen Spielen von Tokio, als sie gerade in das 1.500m-Finale rutschte und über Platz zehn nicht hinaus kam, eine längere Pause gemacht und das neue Wettkampfjahr 2021 sorgfältig in Arizona aufgebaut. Bei den Millrose Games, einen Tag nach Karlsruhe (siehe RunAustria-Bericht) Station zwei der diesjährigen World Athletics Indoor Tour, zeigte die 26-Jährige ihr Selbstbewusstsein, indem sie von Beginn an nur auf sich schaute. Sie wählte unbeirrt von der vorne weglaufenden Tempomacherin Charlene Lipsey, einen WM-Finalistin von 2017 über 800m, ihr eigenes Tempo, ließ sich jedoch keinen einzigen Meter an der Spitze des Feldes von einer Konkurrentin abnehmen. Mit einem recht gleichmäßigen Tempo spulte sie ihr Programm bis zur Ziellinie ab, in einer Zeit von 4:19,30 Minuten gab es – wenngleich zweieinhalb Sekunden „langsamer“ als 2020 – eine sehr starke Siegerzeit, die neuntschnellste in der Geschichte registrierte. Und natürlich eine Weltjahresbestleistung.

Norris übertrumpft Klosterhalfen

Konstanze Klosterhalfen, die im Gegensatz zu Purrier im Winter ein Wettkampfprogramm inklusive Crosslauf-EM abgespult hat, hätte ihrer US-Konkurrentin sicherlich gerne in die Suppe gespuckt. Doch an diesem Nachmittag im Armory Track & Field Center in Manhattan, in der Athletinnen und Athleten sowie die Zuschauer auf den voll besetzten, kleinen Tribünen dem Schneesturm draußen trotzten, hatte sie nicht die Kraft dafür, Purrier bei deren erstem Wettkampf seit Olympia zu gefährden. Nach zwei Drittel der Distanz schob sich die stark auflaufende Josette Norris, eine der Aufsteigerinnen des US-Mittelstreckenlaufs im vergangenen Jahr, an der deutschen Rekordhalterin vorbei, die in einer Zeit von 4:22,59 Minuten nur noch den dritten Platz absichern konnte. Die 26-jährige, hoch aufgeschossene Norris, die Klosterhalfen auch bei der Körpergröße überragte, konnte Purrier zwar nicht mehr gefährden, doch in einer Zeit von 4:20,81 Minuten schob sie sich mit angestrengter Miene auf den letzten Metern auf Rang elf der ewigen Hallen-Bestenliste – Rang drei der US-Bestenliste hinter Purrier und Mary Slaney. Die viertplatzierte Jessica Hull lief einen australischen Hallenrekord.

Kontinentalrekord für Ollie Hoare

Die beiden Meilenrennen waren die Highlights des Programms der Millrose Games, auch wenn Kugelstoß-Übergröße Ryan Crouser mit einem vermeintlichen Hallen-Weltrekord die Scheinwerfer auf sich zog – letztendlich entpuppte sich der Wunderstoß als peinlicher Messfehler. Nach einer emotional intonierten Nationalhymne – eine Zeremonie, die zum US-Sport dazugehört wie die richtigen Sportgeräte – läutete das Meilenrennen der Frauen die letzte halbe Stunde des Meetings ein. Doch auch die Männer konnten den hohen Erwartungen des Rennens Folge leisten.

Eine Vierergruppe setzte sich im Rücken von Tempomacher Erik Sowinski in der Mittelphase des Rennens ab und bestimmte das Geschehen: Ollie Hoare, Josh Kerr, Craig Engels und überraschenderweise Colby Alexander. Nachdem Engels zurückfiel, lancierte der Olympia-Medaillengewinner von Tokio (1.500) die erste Attacke, doch der Australier konterte eingangs der letzten Kurve, schob sich vorbei und lief in einer Zeit von 3:50,83 Minuten zum Sieg. Einen Tag nach seinem 25. Geburtstag verbesserte Ollie Hoare, der vom ehemaligen US-Läufer Dathan Ritzenhein trainiert wird, damit den ein Jahr alten australischen Landesrekord von Charlie Hunter um fast drei Sekunden blieb auch 0,23 Sekunden unter dem ozeanischen Kontinentalrekord von Nick Willis. Kerr verpasste in seinem ersten Rennen nach Tokio den britischen Uralt-Hallenrekord von Peter Elliott gerade einmal um eine Viertelsekunde, ist nun als schottischer Rekordhalter die Nummer zwei der ewigen Bestenliste des Vereinigten Königreichs. Mit einer satten Bestleistung, deutlich schneller auch als Outdoor, war auch Alexander als Dritter ein Sieger des Rennens (3:52,84).

Zwar hat Willis an diesem Nachmittag seinen Kontinentalrekord verloren, doch der 38-jährige Neuseeländer hatte trotzdem Grund zum Jubeln. Im 20. Jahr hintereinander gelang ihm eine sub-4-Meile – ein Weltrekord! Der Oldie blieb lange an letzter Position und holte im Finale mit all seiner Routine die entscheidenden Körner heraus, um die Zeitmessung bei 3:59,71 Minuten anzuhalten. Für seine Foundation zugunsten junger Sportlerinnen und Sportler bedeutete dieser Erfolg eine Prämie von 20.000 US-Dollar.

Monson überzeugend, Wilson mit beeindruckender Serie

Einen vorzüglichen Wettkampf produzierte auch der 3.000m-Lauf der Frauen, der dafür nicht primär in Verdacht stand. Doch eine außergewöhnlich starke Leistung von Alicia Monson, die ab Rennmitte die Zügel an der Spitze straffte und nach dem Aus von Tempomacherin Holly Archer einen klaren Sieg im Alleingang herauslief, war einer der vielen Höhepunkte der Veranstaltung, die selbstbewusst sich selbst zum best besetzten Hallenmeeting der Welt tituliert hat, obwohl überwiegend nur US-amerikanische und in den USA wohnhafte Athleten teilgenommen haben. Die erst 23 Jahre alte Monson finishte in einer Zeit von 8:31,62 Minuten, 14 Sekunden schneller als ihre bisherige Hallen-Bestleistung, und platzierte sich in den Top-20 der ewigen Bestenliste für Hallenrennen, Rang vier der ewigen US-amerikanischen. Weini Kelati hatte im Duell gegen ihre Landsfrau keine Chance und kam mit zwei Sekunden Rückstand ins Ziel, gratulierte umgehend mit einer herzlichen Umarmung. Auch die erst vor kurzem eingebürgerte Kelati, mit 25 gemeinsam mit Monson eine der US-Talente für internationale Meisterschaften in den nächsten Jahren, lief eine deutliche persönliche Bestleistung.

Monson hatte Kelati zuletzt vor drei Wochen bei den US-Crosslauf-Meisterschaften auch schon besiegt. Die Mexikanerin Laura Galvan lief von Beginn an offensiv und belohnte sich als Dritte noch vor Hallen-Europameisterin Amy-Eloise Markovc mit einem mexikanischen Hallenrekord (8:42,29).

Ihren bereits sechsten Sieg bei den Millrose Games feierte Ajee Wilson im 800m-Lauf der Frauen. Sie ließ in einer Zeit von 2:01,38 Minuten die Jamaikanerin Natoya Goule und die US-Amerikanerin Michaela Meyer hinter sich. 800m-Olympiasiegerin Athing Mu, Nachwuchsstar des Jahres 2021, hatte sich für ein Antreten über die Meile entschieden, dort aber frühzeitig den Anschluss nach vorne verloren und schließlich das Handtuch geworfen.

Frenetischer Sieg aus dem Hinterhalt

Im 800m-Lauf der Männer führte Michael Saruni das Feld in die letzte Runde. Doch aus der letzten Kurve heraus konnte Bryce Hoppel noch am Kenianer vorbeiziehen. Der WM-Vierte von 2019, 2020 bei den Millrose Games noch Zweiter, gewann in einer Weltjahresbestleistung von 1:46,05 Minuten vor Saruni, der 2019 mit einem Afrika-Hallenrekord gewonnen hatte, und Isaiah Harris. 800m-Weltmeister Donavan Brazier wurde im 400m-Sprint Dritter (46,55).

Die erhoffte US-Talentprobe der besonderen Art brachte das 3.000m-Rennen der Männer mit Cooper Teare und Cole Hocker, die in persönlichen Bestzeiten von 7:39,61 Minuten und 7:39,83 Minuten aufs Stockerl stürmten. Im Gegensatz zu Hobbs Kessler, der dritte große Hochtalentierte der Amerikaner im Meilenrennen, liefen sich die beiden ins Scheinwerferlicht und blieben stets an der Spitze dran. Zum Glockenton stürmte Teare nach vorne, sein Trainingspartner und Freund von der University of Oregon folgte auf Schritt und Tritt. Dass der große Sieger des Tages ein anderer war, lag an einer Unerfahrenheit von Teare, der im Endspurt die Innenbahn aufmachte. Dort stürmte George Beamish durch und freute sich neben dem Sieg über eine deutliche Verbesserung des neuseeländischen Landesrekordes auf eine Zeit von 7:39,50 Minuten. In Ozeanien war jemals lediglich der Australier Craig Mottram schneller.

Dabei hatte Beamish, ebenfalls ein Schützling von Ritzenhein, für einen kleinen Bluff gesorgt. Er lief nämlich größtenteils an der Spitze des Feldes, ließ sich dann abrupt zurückfallen, als wäre er am Ende seiner Kräfte, um im Finale zu triumphieren. Selbst Jennifer Meadows entschuldigte sich im Livestream von World Athletics, den Neuseeländer zu früh abgeschrieben zu haben. Alle in den Top-Ten liefen persönliche Bestleistungen, was die Qualität dieses 3.000m-Laufs beim ältesten Hallen-Meeting der Welt (114. Auflage) unterstreicht. Freuen konnte sich auch der Deutsche Sam Parsons, der deutlich unter dem Limit für die Hallen-WM blieb.

Ergebnisse Millrose Games 2022

Meile der Frauen

  1. Elle Purrier (USA) 4:19,30 Minuten *
  2. Josette Norris (USA) 4:20,81 Minuten **
  3. Konstanze Klosterhalfen (GER) 4:22,59 Minuten
  4. Jessica Hull (AUS) 4:24,06 Minuten ***
  5. Shannon Osika (USA) 4:24,19 Minuten **
  6. Sage Hurta (USA) 4:25,45 Minuten **
  7. Heather MacLean (USA) 4:28,05 Minuten
  8. Ella Donaghu (USA) 4:30,27 Minuten **
  9. Nikki Hiltz (USA) 4:30,75 Minuten
  10. Cory McGee (USA) 4:33,23 Minuten

    DNF Athing Mu (USA)

Meile der Männer

  1. Ollie Hoare (AUS) 3:50,83 Minuten * / ****
  2. Josh Kerr (GBR) 3:52,27 Minuten **
  3. Colby Alexander (USA) 3:52,84 Minuten **
  4. Sam Prakel (USA) 3:55,73 Minuten
  5. Johnny Gregorek (USA) 3:55,93 Minuten
  6. Mario Garcia (ESP) 3:57,98 Minuten
  7. Mariano Garcia (ESP) 3:59,61 Minuten
  8. Hobbs Kessler (USA) 3:59,66 Minuten
  9. Nick Willis (NZL) 3:59,71 Minuten
  10. Craig Engels (USA) 4:01,30 Minuten

800m-Lauf der Frauen

  1. Ajee Wilson (USA) 2:01,38 Minuten
  2. Natoya Goule (JAM) 2:02,14 Minuten
  3. Michaele Meyer (USA) 2:02,94 Minuten **
  4. Roisin Willis (USA) 2:03,28 Minuten
  5. Sophia Gorriaran (USA) 2:03,66 Minuten
  6. Olivia Baker (USA) 2:06,11 Minuten
  7. Nia Akins (USA) 2:08,56 Minuten

800m-Lauf der Männer

  1. Bryce Hoppel (USA) 1:46,05 Minuten *
  2. Michael Saruni (KEN) 1:46,32 Minuten
  3. Isaiah Harris (USA) 1:46,49 Minuten
  4. Saul Ordonez (ESP) 1:47,56 Minuten
  5. Kameron Jones (USA) 1:47,92 Minuten
  6. José Tonatiu Lopez (MEX) 1:48,60 Minuten **
  7. Charlie Hunter (AUS) 1:48,89 Minuten
  8. Isaiah Jewett (USA) 1:49,59 Minuten

3.000m-Lauf der Frauen

  1. Alicia Monson (USA) 8:31,62 Minuten * / ** / ********
  2. Weini Kelati (USA) 8:33,72 Minuten **
  3. Laura Galvan (MEX) 8:42,29 Minuten *****
  4. Amy Eloise Markovc (GBR) 8:49,49 Minuten
  5. Elly Henes (USA) 8:49,52 Minuten **
  6. Courtney Wayment (USA) 8:50,05 Minuten **

3.000m-Lauf der Männer

  1. Geordie Beamish (NZL) 7:39,50 Minuten ******
  2. Cooper Teare (USA) 7:39,61 Minuten **
  3. Cole Hocker (USA) 7:39,83 Minuten **
  4. Luis Grijalva (GUA) 7:41,21 Minuten *******
  5. Conner Mantz (USA) 7:41,43 Minuten **
  6. Drew Hunter (USA) 7:42,63 Minuten **
  7. Morgan Beadlescomb (USA) 7:43,22 Minuten **
  8. Sam Parsons (GER) 7:44,99 Minuten **

* neue Weltjahresbestleistung
** neue persönliche Hallen-Bestleistung
*** neuer australischer Landesrekord
**** neuer ozeanischer Kontinentalrekord
***** neuer mexikanischer Landesrekord
****** neuer neuseeländischer Landesrekord
******* neuer Landesrekord für Guatemala
******** neuer Meetingrekord

Millrose Games

World Athletics Indoor Tour