Streckenrekord beim Comeback: Paris Marathon in neue Sphären
Endlich hat einer der größten und bedeutendsten Marathon einen Streckenrekord unter 2:05 Stunden. Der Kenianer Elisha Rotich führte eine überraschend leistungsstarke Spitzengruppe zu einem Ergebnis mit fünf Läufern unter dieser Marke. Der neue Streckenrekord liegt bei 2:04:21 Stunden.

Elisha Rotich bei seinem Sieg beim Eindhoven Marathon 2018. © SIP / René van Zee
„Die Marathonläufer haben Paris zurückerobert“, titelte die zweite Presseaussendung, die die Verantwortlichen des größten Marathonlaufs in Europa vor der Pandemie gestern aussandten. Die Formulierungen verdienen einen zweiten Blick, denn sie vermitteln, wie sehr Laufen in der „Stadt der Liebe“ verankert sein muss und wie sehr es zweieinhalb Jahre gefehlt hat. Von einem befreienden Gefühl, einer Euphorie und einem fantastischen Erfahrung, durch das Herz der schönsten Stadt der Welt zu laufen, ist da die Rede. 917 Tage mussten die Läuferinnen und Läufer warten, um in der französischen Hauptstadt, Austragungsort der kommenden Olympischen Spiele, einen Marathon zu laufen. Über 30.000 haben das gestern bei nahezu idealen Marathonbedingungen in Paris getan, wodurch der Paris Marathon bis Jahresende gemeinsam mit dem London Marathon wohl der größte Marathon seit dem Neustart in Europa bleiben wird.
Rotich jubelt über Streckenrekord
Auch sportlich schrieb der Paris Marathon in seiner 44. Auflage Fabel-Schlagzeilen wie schon lange nicht mehr. Nach sieben Jahren ist der Streckenrekord von Kenenisa Bekele, der damals sein Marathon-Debüt in einer Zeit von 2:05:04 Stunden beendete, Geschichte. Elisha Rotich, der 2018 den Eindhoven Marathon gewonnen hat und 2019 seine beste Marathon-Saison mit den Rängen zwei in Seoul und drei in Amsterdam absolvierte, bei letzterem in persönlicher Bestleistung von 2:05:18 Stunden, war der Mann des Tages. Der 31-Jährige, der seinen 17. Marathon bestritt, nahm in der entscheidenden Rennphase eine Verschärfung seines Landsmanns Hillary Kipsambu auf und attackierte auf dem 38. Kilometer erfolgreich, um eine Vorentscheidung zu erzwingen. Während in seinem Rücken eine Sechsergruppe die Lücke nicht mehr schließen konnte, aber noch um Rang zwei und tolle Zeiten kämpften, zog Rotich vorne einsame Kreise und dem größten Moment seiner sportlichen Laufbahn entgegen. Nach 2:04:21 Stunden war der Jubel groß: „Ich bin absolut durch den Wind. Ich weiß gar nicht, was sich sagen soll. Ich habe mich fantastisch gefühlt, danke Paris!“
Elisha Rotichs 5km-Teilzeiten: 14:40 / 14:39 / 14:44 / 14:43 / 14:35 / 15:01 / 15:12 / 14:24 / 6:29 (2,195 km) Minuten
Fünf Mann unter 2:05 Stunden
Der Kampf um Platz zwei blieb bis auf die letzten Meter spannend. Der 24-jährige Äthiopier Hailemaryam Kiros, abgesehen von Rang elf bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften 2020 noch nicht wirklich aufgefallen, sicherte sich bei seinem Marathon-Debüt in erstaunlichen 2:04:41 Stunden Rang zwei vor Kipsambu, Barselius Kipyego und Abayneh Degu. Sie alle liefen teils deutliche persönliche Bestleistungen und waren alle im Ziel, bevor die Uhr auf 2:05 Stunden umschlug. Der Marathon-Herbst 2021 charakterisiert sich auch dadurch, dass viele bis dato unbekannte, bis dato eine zweite Geige spielende Athleten oder gar Newcomer aus den ostafrikanischen Laufhochburgen mit einem irre hohen Niveau ins Wettkampfgeschehen eingreifen. Trotz fehlender Welttkampfpraxis durch die Pandemie, den ausgefallenen Topläufen und erschwerten Reisewegen.
Durand steigert sich unter 2:10 Stunden
Für die große Story aus französischer Sicht sorgte Yohan Durand, der als 13. Franzose in der Geschichte des Marathons eine Zeit unter 2:10 Stunden erreichte. Der 36-Jährige hatte sich im Frühjahr in Mailand auf eine Zeit von 2:12:27 Stunden gesteigert und schaffte über den Sommer eine Vorbereitung für einen dreiminütigen Sprung nach vorne. „Das ist ein massiver Meilenstein in meiner Karriere. Mein großes Ziel war, als bester heimischer Läufer zu finishen und das ist mir gelungen. Meine Tempomacher haben mir eine metronomische Pace vorgelegt und die Stimmung am Streckenrekord war grandios“, berichtete der Routinier, der nun auf Rang sechs der europäischen Jahresbestenliste liegt.
Yohan Durands 5km-Teilzeiten: 15:16 / 15:12 / 15:17 / 15:18 / 15:01 / 15:26 / 15:22 / 15:34 / 6:59 (2,195 km) Minuten
Tempomacherinnen enden in Nutzlosigkeit
Im Frauenrennen, welches eine Viertelstunde vor dem Männerrennen gestartet wurde, kam es zu einem seltenen Schauspiel. Die beiden kenianischen Tempomacherinnen, die ein Rennen Richtung 2:21 Stunden vorbereiten hätten sollen, fanden sich bald alleine an der Spitze wieder, weil keine der Topläuferinnen dieses Tempo gehen wollte. Es entwickelte sich also ein Marathon mit Meisterschaftscharakter und einer schnelleren zweiten Rennhälfte inklusive der schnellsten Rennphase am Schluss, als es um die Einlaufreihenfolge ging. Noch bei Kilometer 40 lag ein Quartett gleich auf, die entscheidende Attacke kam von Tigist Memuye aus Äthiopien gut einen Kilometer vor dem Ziel. Sie siegte in einer Zeit von 2:26:11 Stunden vor ihren Landsfrauen Yenenesh Dinkesa (2:26:14) und Fantu Jimma (2:26:21). Die 31-jährige Memuye feierte mit diesem Sieg den größten Erfolg ihrer Karriere, ihren schnellsten Marathon ist sie Anfang Mai in Genf gelaufen, als sie in 2:24:23 Stunden Zweite war.
Tigist Memuyes 5km-Teilzeiten: 17:39 / 17:41 / 17:24 / 17:22 / 17:07 / 17:55 / 17:51 / 16:11 / 7:07 (2,195 km) Minuten
Ergebnisse Paris Marathon 2021
Männer
- Elisha Rotich (KEN) 2:04:21 Stunden * / **
- Hailelmaryam Kiros (ETH) 2:04:41 Stunden ***
- Hillary Kipsambu (KEN) 2:04:44 Stunden **
- Barselius Kipyego (KEN) 2:04:48 Stunden **
- Abayneh Degu (ETH) 2:04:53 Stunden **
- Morris Gachaga (KEN) 2:05:09 Stunden **
- Tsegaye Getachew (ETH) 2:05:11 Stunden **
- Joel Kimurer (KEN) 2:05:25 Stunden
- Mike Kiptum (KEN) 2:07:07 Stunden
- Nicholas Kirwa (KEN) 2:07:22 Stunden
… - Yohan Durand (FRA) 2:09:21 Stunden **
Frauen
- Tigist Memuye (ETH) 2:26:11 Stunden
- Yenenesh Dinkesa (ETH) 2:26:14 Stunden
- Fantu Jimma (ETH) 2:26:21 Stunden
- Waganesh Mekasha (ETH) 2:26:36 Stunden
- Janet Ruguru (KEN) 2:27:05 Stunden ***
- Yeshi Chekole (ETH) 2:27:10 Stunden
- Antonina Kwambai (KEN) 2:27:26 Stunden
- Ayana Mulisa (ETH) 2:28:27 Stunden
- Sifan Melaku (ETH) 2:30:21 Stunden
- Priscah Jeptoo (KEN) 2:32:09 Stunden
* neuer Streckenrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** Marathon-Debüt