Quarantänedrohung überschattet Mo Farah großes Comeback

Mo Farah gewann bei den letzten Weltmeisterschaften in Peking zwei Goldmedaillen. © Getty Images for IAAF / Lintao Zhang
Vielleicht war der Europacup im 10.000m-Lauf noch nie so bedeutend, wie in diesem Jahr. Und das liegt hauptsächlich an einem Namen: Mo Farah. Der Jahre lang alles dominierende Brite kehrt vier Jahre nach seinem letzten großen Triumph im Rahmen der Weltmeisterschaften von London zurück auf die Bahn (mit Ausnahme eines Ein-Stunden-Laufs 2020 in Brüssel) und macht damit einen Rückzieher vom Wechsel in den Marathon. Bei den Olympischen Spielen von Tokio will er Edelmetall über 25 Runden im Stadion verdienen, nicht 800 Kilometer nördlich in Sapporo. Der Europacup im heimischen Birmingham wird ein wichtiger Meilenstein auf den Weg dorthin.
Vielleicht aber war der Europacup auch nie so wichtig, weil auf dem kurzen Weg zu den Olympischen Spielen und mit all den Absagen von Meetings und Wettkämpfen im Jahr 2020 die Startgelegenheiten bei international hochwertigen 10.000m-Läufen, noch dazu für Europäerinnen und Europäer, so rar gesät sind.
Quarantänedrohung verhindert Theuers Start
Für Olympiastarts im 10.000m-Lauf wäre hierzulande ohnehin niemand in Frage gekommen. Aber die neuen für Einreisende aus Großbritannien geltenden Regeln in Österreich und der damit erzwungene Startverzicht von TImon Theuer (Union St. Pölten) legen hierzulande einen Schatten über dieses Rennen. Die verpflichtende Quarantäne wollen sich Athlet und Coach logischerweise sparen. Die Anfrage an das Sportministerium einer Ausnahmegenehmigung im „nationalen Interesse“, wie es im Terminus heißt, erhielt eine negative Antwort. Der Wiener, der seinen ersten Wettkampf nach dem Marathon in Enschede im April bestreiten und somit seine zweite Saisonhälfte einleiten wollte, deutete seine Unverständnis und seinen Ärger darüber in sozialen Medien an. Im Kontext dazu: Die österreichische Fußballnationalmannschaft ist heute aus England kommend in Österreich gelandet, selbstverständlicherweise ohne Quarantänepflicht.
Das Problem kennt man auch in Deutschland, wo der DLV sein Team zurückgezogen hat, da aus Großbritannien Einreisende in eine 14-tägige Quarantäne müssen. „Die Gesundheit des gesamten Teams, die Minimierung von Infektionsrisiken und die Perspektiven für die Gestaltung des weiteren Saisonverlaufs waren ausschlaggebend für die Entscheidung“, erklärte Idriss Gonschinska, Vorstandsvorsitzender des nationalen Verbandes. Für alle Läuferinnen und Läufer, die das Olympia-Limit noch innerhalb des am 29. Juni auslaufenden Qualifikationszeitraums benötigen – darunter auch Deutschlands Beste Miriam Dattke, ein bitterer Rückschlag.
Mayer verändert die Reiseroute
Dennoch geht der Europacup nicht ohne österreichische Beteiligung über die Bühne. Julia Mayer (DSG Wien) ist nach England gereist und reist nach dem Wettkampf einfach nicht nach Österreich zurück, sondern gleich weiter nach Kroatien, wo sie nächste Woche an einem Straßenlauf teilnehmen will. Wie der ÖLV heute berichtet, will die Staatsmeisterin im 10km-Straßenlauf ihre persönliche Bestleistung im 10.000m-Lauf in Birmingham verbessern. Die Chancen stehen insofern gut, als dass die 28-Jährige auf der Straße bereits schneller gelaufen ist als auf der Bahn.
Wichtiger Schritt Richtung Tokio
Nicht weniger als 111 Athleten aus 26 Nationen haben gemeldet, es werden weniger sein. Keiner oder keine ist annähernd so prominent wie Mo Farah, der den ersten Sieg bei diesem Event seit 2010 anstrebt – seither hat er nicht wieder teilgenommen. Auch wenn der Brite, der jüngst in Arizona trainierte, 2021 erst einen Wettkampf absolviert hat – den Dschibuti International Halbmarathon, dessen Aussagekraft aufgrund großer Hitze eher beschränkt ist, wäre alles andere als ein Sieg des 38-Jährigen eine Sensation. Dennoch ist es ein bedeutender Leistungstest. Und er muss auch gewinnen, will er den Ankündigungen, in Tokio Joshua Cheptegei und Jacob Kiplimo herauszufordern, Folge leisten und Stärke hinzufügen. Noch nie war ein Olympia-Medaillengewinner in Laufdisziplinen auf der Bahn so alt wie der Brite.
Farah muss dafür übrigens auch noch die Modalitäten erfüllen. Er braucht das Limit von 27:28,00 Minuten, bisher haben es mit Sam Atkin und Marc Scott zwei Briten erfüllt. Farah sollte also entweder deutlich darunter bleiben oder zumindest als bester Brite ins Ziel laufen, wenngleich der Gedanke, Farah trotz Limit nicht zu nominieren, weil drei Briten eine schnellere Qualifikationsleistung vorweisen können, angesichts seines Standings absurd erscheint.
Abdi, Amdouni und Scott als stärkste Gegner
Ein Spaziergang wird es nicht für Farah, dafür ist das Feld zu stark. Bashir Abdi aus Belgien und der zuletzt verdächtig schnelle, amtierende Europameister Morhad Amdouni, Halbmarathon-WM-Achter 2020, sind gemeinsam mit Scott auf dem Papier die stärksten Kontrahenten des zweifachen Olympiasiegers und dreifachen Weltmeisters allein in dieser Disziplin.
Weniger stark besetzt ist das Rennen der Frauen, bei dem die britischen Teilnehmerinnen in der Favoritenrolle sind. Angeführt wird das Team der Gastgeberinnen von Eilish McColgan, Jessica Judd und Amy-Eloise Markovc. Selamawit Teferi aus Israel könnte im Kampf um den Sieg ein gewichtiges Wörtchen mitsprechen.
Der Europacup findet in diesem Jahr in Birmingham statt, nachdem London mit seiner Night of the 10.000m PBs zum zweiten Mal in Folge aufgrund der Pandemie nicht als Austragungsort zur Verfügung stand.