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Die Mary Cain Story

Sie galt als größtes Lauf-Talent der USA. Seit Jahren wundern sich Experten, warum Mary Cain, die zu College-Zeiten ein Rohdiamant und eine scheinbar sichere Zukunftshoffnung war, den Sprung in die Weltelite nicht geschafft hat, während zahlreiche ihrer Teamkolleginnen beim Nike…

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Sie galt als größtes Lauf-Talent der USA. Seit Jahren wundern sich Experten, warum Mary Cain, die zu College-Zeiten ein Rohdiamant und eine scheinbar sichere Zukunftshoffnung war, den Sprung in die Weltelite nicht geschafft hat, während zahlreiche ihrer Teamkolleginnen beim Nike Oregon Project fantastische Leistungen am laufenden Band produzierten. Schließlich war die zig-fache US-Rekordhalterin im Juniorenbereich im Alter von 16 Jahren gerade mit dieser Motivation von der Ost- an die Westküste gezogen. Nicht nur die Nummer eins der USA, sondern die Nummer eins der Welt zu werden. Unter der Leitung von Alberto Salazar. Heute ist die 23-Jährige zurück in ihrer Heimat New York. Fluchtartig hatte sie das NOP verlassen. Aufgrund von psychologischem Mobbing und körperlicher Misshandlung. Diese Verwerflichkeit schildert sie in einem Video, das die New York Times unter der Rubrik „Meinung“ letzte Woche veröffentlicht hat. Und gibt Nike die Schuld für ihr sportliches Scheitern.
 
Der Link zum Video
 

Mary Cain gibt Nike die Schuld für ihr sportliches Scheitern.

Alberto Salazar ist ein Protagonist, der seit Jahren polarisiert. Seine Arbeit am Nike Oregon Project produzierte massive Erfolge. Die Lauf-Welt schaute verwundert nach Portland, wo immer mehr Spitzenathleten auch aus Europa hinzogen. Vor rund sechs Wochen wurde der ehemalige Marathonläufer und dreifache Sieger des New York City Marathon von der USADA für vier Jahre gesperrt. Jahrelang, das war längst bekannt, operierte Salazar an der Grenze vom Erlaubten zum Verbotenen. Nun wurde ihm nachgewiesen, die Grenze überschritten zu haben. Mary Cain lenkt nun die Aufmerksamkeit darauf, dass Salazar auch in seiner Methodik polarisiert. Sifan Hassan etwa, aktueller Superstar im Laufbereich, schwärmt von der Arbeit des gebürtigen Kubaners. Das durchaus Ungewöhnliche an Cains Video-Rede: Sie erzählt nicht nur ihre Geschichte, wobei sie auf emotionale Inszenierungen verzichtet, sondern erklärt im Schlussteil im Rahmen eines Generalangriffs auf Nike und Alberto Salazar, inklusive einer Warnung der Wiederbelebung des Nike Oregon Projects unter einer neuen Marke, aber mit selbem Personal, mit beachtlicher Bestimmung, welche strukturellen Maßnahmen nun erforderlich wären, um psychologisches Mobbing und körperliche Misshandlung von jungen Sportlerinnen zu verhindern. Als wäre sie binnen weniger Monate eine Expertin für einen Missstand, den sie davor offenbar wehrlos zum Opfer gefallen ist.
 

Größere Aufmerksamkeit hätten Cains Erzählungen früher sicherlich nicht gehabt. Mehr Zuspruch aus der Welt der Profiläuferinnen für sie vielleicht auch nicht.

Es ist einerseits leicht, andererseits unheimlich effektiv, Nackenschläge auszuteilen, wenn jemand bereits gebückt geht. Das soll keine schützende Feststellung für die Arbeit Salazars sein, sondern den Zeitpunkt des Gangs an die Öffentlichkeit durch Mary Cain in den Fokus stellen. Es ist spekulativ, ob die Athletin selbst oder die New York Times für die Story auf den richtigen Moment gewartet haben. Wer wen davon überzeugt hat, Cains Scham, mit der sie ihr jahrelanges Schweigen begründet, zu überwinden und die Erzählung unter dem Tisch hervorzukehren. Größere Aufmerksamkeit hätten Cains Erzählungen früher sicherlich nicht gehabt. Mehr Zuspruch aus der Welt der Profiläuferinnen für sie vielleicht auch nicht. Selbst Jessica Ennis-Hill, 2012 Olympiasiegerin im Siebenkampf, erzählte nun im „The Telegraph“, ein Jahr vor London von einem Coach des britischen Verbandes indirekt als „zu fett“ bezeichnet worden zu sein. Diese Beleidigung trägt ein hohes Maß an geschlechterspezifischer Sensibilität in sich. Der attackierte Charles van Commenee erwiderte im selben Artikel: „Da Körpergewicht und Fettanteil eine große Auswirkung auf das Resultat haben, ist die kritische Frage nach der körperlichen Form eine legitime.“
 

Mary Cain hat „Body Shaming“ öffentlich an den Pranger gestellt.

Unabhängig vom Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos ist die Relevanz des Inhalts unumstritten für den Frauensport. Auch wenn sie Stereotypen transportiert. Kara Goucher, ehemalige NOP-Athletin, die im Streit ging, Hauptkritikerin von Alberto Salazar und wichtige Zeugin in den Ermittlungen gegen ihn – man könnte sie auch engagierte „Hauptfeindin“ Salazars nennen – sprang auf den fahrenden Zug auf und beschleunigte ihn mit heftiger Kritik, die sich genauso wie das Video-Interview der New York Times wie Lauffeuer durch die Welt der sozialen und digitalen Medien wälzte. Der ehemalige Assistent und heute einer der größten Kritiker Salazars, Steve Magness erzählte auf Twitter, dass Cains Schilderungen vom Umgang mit ihr „Teil der Kultur“ des NOP gewesen wäre. Beide hatten in den letzten Jahren öfters auf Missstände im NOP hingewiesen, seinen von der Öffentlichkeit aber unzureichend wahrgenommen worden, klagen sie heute und hoffen, dass sich das Blatt nun gewendet hat.
Mary Cain hat „Body Shaming“ auf eine Weise an den Pranger gestellt, dass die Öffentlichkeit diese Position übernommen hat. Die Öffentlichkeit hat sich plötzlich an den moralischen Grundsatz erinnert: Beleidigung oder gar Diskriminierung aufgrund von Körpergewicht ist in unserer Gesellschaft zurecht verpönt. In allen Richtungen. Und, so die Hoffnung Gouchers, weiblichen Sportlerinnen eine stärkere Stimme verliehen. Um ein Tabuthema zu brechen und Warnungen für zukünftige, junge Sportlerinnen auszusprechen. Mary Cain zieht in „Sports Illustrated“ sogar den gefährlichen Vergleich zur #MeToo-Debatte.
 

„Ich wurde emotional und physisch missbraucht.“

„Ich wurde emotional und physisch missbraucht. In einem System, gebaut von Alberto und gebilligt von Nike“, erzählt Cain im Video. „Alberto hat mich pausenlos dazu gedrängt, mein Gewicht zu reduzieren. Ich musste oft vor Teamkolleginnen auf die Waage stehen und er hat mich öffentlich gedemütigt, falls ihm das Resultat nicht gefallen hat. Er wollte, dass ich die Anti-Baby-Pille und Diuretika schlucke, um abzunehmen.“ Cain überträgt die schweren Vorwürfe auf Nike als potenten Player im Spitzensport und dessen Philosophie eins zu eins. „Sie waren überzeugt, dass ich nur Erfolg haben würde, wenn ich dünner und dünner würde. So kompetent das Trainingsprogramm war, Nike engagierte keine zertifizierten Sportpsychologen und Ernährungswissenschaftler. Das waren alles Freunde von Alberto.“
Männer, die über bedeutende Entscheidungen einen weiblichen Körper trafen. Cain fühlte sich gefangen in einem System, das von Männern für Männer konzipiert war und die Körper junger Frauen, in ihrem Fall minderjähriger Frauen, also inmitten einer Phase bedeutender biologischer Veränderungen, zerstöre. Ähnliche Wortlaute ehemaliger NOP-Athletinnen folgten auf Cains Gang an die Öffentlichkeit. „Sports Illustrated“ fasste neun Erzählungen ehemaliger NOP-Mitglieder als Einblicke in die „Toxic Culture“ des Nike Oregon Projekts zusammen. Diese Einblicke sind sehr bedeutsam, denn sie skizzieren ein System und entkräften ein etwaiges Argument, dass ein einzelnes individuelles Schicksal nicht repräsentativ für eine Gruppe oder gar eine Szene wäre. Fordern die Erkenntnisse ein sport-gesellschaftliches Umdenken? Partiell ja, gesamtdimensional definitiv nein. Denn das würde die Arbeit all der Lauftrainer weltweit, die junge Läuferinnen trainieren und gemeinsam mit ihnen, mit großer Sorgfalt die gesundheitliche Entwicklung berücksichtigend, einen vernünftigen Weg an die sportliche Spitze bestreiten, verleugnen.
 

Ein System, das von Männern für Männer konzipiert war und den Körper junger Frauen zerstöre.

Mary Cain verlor den Fokus auf den Sport durch die mentale Belastung. In dieser Zeit habe sie die Rennen bereits verloren, als sie an der Startlinie stand, sagt sie. Körperliche Folgen wie das Ausbleiben ihrer Periode, satte drei Jahre lang, beschäftigten sie. Die fatalen Konsequenzen daraus: Zu wenig Östrogen wirkt sich negativ auf die Knochengesundheit aus, fünf Knochenbrüche erlitt sie. Außerdem zog sie sich aus depressiven Gedanken heraus selbst Verletzungen zu. Selbstmordgedanken flatterten durch ihr Gehirn. Gleichzeitig gab Cain im Videointerview die Schwäche zu, von Salazar emotional abhängig gewesen zu sein. Obwohl er sie „emotional gebrochen“ habe, sah sie ihn als Ersatz-Vater und Schlüsselfigur in einer erfolgreichen Karriere. Motiviert vom innigen Wunsch und der unendlichen Hoffnung, so leistungsfähig und erfolgreich wie möglich zu sein. „Als ich den Flieger bestieg, um aus Portland zu flüchten, fühlte ich mich, als wäre ich der Hölle entflohen.“
Die dramatischen Erzählungen Mary Cains streuen eine Menge Salz in die Wunden des zusammengebrochenen Nike Oregon Projects. In einem schriftlichen Statement wehrt sich Alberto Salazar gegen die Anschuldigungen. Marys Vater, nun Mitankläger, sei „Arzt und sowohl er als auch seine Frau waren in der Zeit, als ich sie trainierte, tief in Marys Training, Wettkampfplanung und Gesundheit involviert. Beispielsweise hatte ihr Vater bei der Medikation und der Wahl Nahrungsergänzungsmittel beratende Funktion. Niemals hatten sie irgendetwas dagegen.“ Außerdem wies Salazar die Vorwürfe der Demütigung aufgrund von Cains Gewicht oder systematischen Missbrauchs entschieden zurück und fügte laut der Zeitung „The Oregonian“ eine generelle Entschuldigung an. Ihm tue es leid, wenn Athleten durch seine Kommentare verletzt wurden. Dieser Effekt sei völlig unbeabsichtigt gewesen. Der Vater von Mary Cain entgegnete via „Sports Illustrated“, er habe Salazar mehrfach darauf hingewiesen, man könne junge Sportlerinnen nicht auf diese Weise auf ihr Gewicht ansprechen.
 

Mary Cain habe sich im Frühjahr 2019 um eine neuerliche Zusammenarbeit mit Alberto Salazar bemüht und nichts über die Bedenken bemüht.

Spannend ist die Reaktion von Nike als führender Sportartikelhersteller und Sportsponsor in den USA. Kein Wort der Einsicht, nur der Hinweis darauf, die Anschuldigungen ernst zu nehmen. Die Gegenattacke: Mary Cain habe sich, wie sie selbst auch zugibt, im Frühjahr 2019 wieder um eine Zusammenarbeit mit Alberto Salazar bemüht. In diesen Gesprächen sei nichts von Bedenken und nunmehrigen Anklagen erwähnt worden. Nike selbst ist aktuell in der Defensive, denn es ist nicht die erste Attacke der weiblichen Sportwelt auf Nike in letzter Zeit. Aufgrund von Vorwürfen des geschlechterdiskriminierenden Verhaltens musste Nike-Präsident Trevor Edwards 2018 den Hut nehmen. Im Frühsommer attackierten US-amerikanische Spitzenleichtathleten Nike wegen des Stopps von Sponsorenzahlungen während Schwangerschaften (siehe RunAustria-Bericht). Und generell steht Nike unter dem in Jänner scheidenden CEO Mark Parker aufgrund seiner Ansichten des Frauensports unter Druck. Die US-amerikanische Läufer-Plattform „Let’sRun“ begibt sich in die Historie und erinnert an einige Werbesprüche Nikes vor den Olympischen Spielen 1996: „Second place is the first loser“, „You don’t win silver, you lose gold“ oder „No one trains for second place.“ Diese Slogans, übrigens passend für ein Unternehmen, das sich nach der griechischen Göttin des Sieges benannte, mögen Einblick in die Haltung von Organisationen, Institutionen, Sponsoren und Coaches geben und werfen gleichzeitig die Frage auf: Wenn sich die innige Sehnsucht und die ultimativen Zielsetzungen von Sportlerinnen mit dieser Haltung decken, inwieweit ist die Bereitschaft, sich einer gewissen Methodik und Systematik unterzuordnen, gegeben? Offensichtlich strebte Alberto Salazar in seiner Arbeit danach, aus Mary Cain eine möglichst schnelle und erfolgreiche Läuferin zu machen und vernachlässigte dabei sträflich die Auswirkungen auf ihr psychisches Wohlbefinden und ihre Langzeitgesundheit. Ein Faktum, das Mary Cain heute wichtig ist. Fehlte ihr vor Jahren das Wissen oder haben sie und ihre Familie bewusst weggeschaut?
 

Der Weg zwischen optimalen körperlichen Voraussetzungen und gesundheitlich schädlichen Folgen ist oft eine Gratwanderung.

Unabhängig der genauen Platzierung der Wahrheit in dieser Geschichte von Mary Cain hat die US-Amerikanerin die große öffentliche Bühne genutzt, um ein Problem in der Trainingsarbeit mit Ausdauersportlerinnen anzusprechen. Wenn Diskussionen darüber angeheizt werden und Bewusstsein gebildet wird, sind positive Konsequenzen einer Debatte das optimistische Resultat. Folgende Gleichung ist in der Sportwissenschaft erwiesen: Wer leichter ist, läuft schneller. Weniger Körpergewicht führt zu einer optimalen körperlichen Voraussetzung für Ausdauersport. Diese Faustregel, die wohl nicht nur Salazar als „Teil von elitärem Leistungssport“ bezeichnet, gilt und wird auf der ganzen Welt praktiziert. Das ist keine neue Erkenntnis, aber eine zu wenig beachtete. Denn der Gang zwischen optimalen körperlichen Voraussetzungen und gesundheitlich schädlichen Folgen mit der Gefahr von Langzeitschäden ist oft eine Gratwanderung. Dass junge Athletinnen im modernen Spitzensport oft den Entscheidungen männlicher Trainer ausgeliefert sind, besonders im Teilbereich Gewichtsreduktion und körperlicher Komposition, ist Status quo. Eine erfolgreiche Trainer-Athletin-Beziehung erfordert ein gewisses Maß an Intimität auf Gesprächsbasis, die sich selbstredend innerhalb einer moralisch und gesundheitlich vertretbaren Dimension abspielen muss. Übrigens unabhängig, ob ein Trainer weiblich oder männlich ist.

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