Vojta und Listabarth bei 10.000m-Europacup

© VCM / Leo Hagen

Der 10.000m-Lauf ist ein Sorgenkind der internationalen Leichtathletik, da er immer weniger Beachtung in der Meeting-Szene erhält. Einzelne engagierte Meeting-Direktoren kämpfen für die Disziplin, die sicherlich nicht zu den attraktivsten der Leichtathletik gehört. Vorzeigeprojekt ist der Event mit dem Titel „Night of the 10,000 PB’s“ in London, der im Vorjahr erstmals den 10.000m-Europacup ausgetragen hat und einen vollen Erfolg landete. Das Konzept ist simpel, aber wirksam. Losgelöst von traditionellen Meeting-Mechanismen, flankiert von Jugend- und Amateurläufen, Zuschauer, die in Reihen auf den äußeren Bahnen stehen und damit nur Zentimeter entfernt von den Athletinnen und Athleten sowie smart organisierte Rennen, in denen dank Tempomachern schnelle Zeiten erzielt werden können.
Letzteres ist sportlich ein wichtiger Punkt, schließlich gibt es weltweit sehr wenige attraktive 10.000m-Rennen als Qualifikationsmöglichkeit für internationale Großereignisse. Und die wenigen sind für Europäer oft schwer zugänglich. Nicht so beim Europacup, wo die europäische Leichtathletik im Zentrum steht. Mit Andreas Vojta (team2012.at), der im vergangenen Jahr eine persönliche Bestleistung lief, und Stephan Listabarth (DSG Wien), der nach seiner Verletzung am Sprunggelenk im Winter seinen ersten wichtigen internationalen Wettkampf läuft, sind auch zwei österreichische Teilnehmer am Samstagabend in der britischen Hauptstadt am Start. Das saftige WM-Limit für Doha von 27:40,00 Minuten liegt für beide allerdings außer Reichweite. Das klingt allerdings weit weniger dramatisch, wenn man diese Aussage in den richtigen Rahmen setzt: Kein europäischer Läufer ist heuer so schnell gelaufen, im gesamten Kalenderjahr 2018 blieben nur Europacup-Sieger Richard Ringer und der spätere Europameister Morhad Amdouni unter dieser Marke. Beide bei der „Night of 10,000 PB’s“ mit persönlichen Bestleistungen.
 

Zweimal gewann Andreas Vojta beim Vienna 10K im Rahmen des Vienna City Marathon den Staatsmeistertitel im 10km-Lauf. © VCM / Leo Hagen
 

Inmitten der europäischen Spitze

Vojta, im vergangenen Jahr noch im B-Lauf unterwegs, hat es dieses Mal in den 39 Athleten umfassenden A-Lauf geschafft. Mit seiner persönlichen Bestleistung von 28:33,99 Minuten liegt er auf dem Papier ungefähr im Mittelfeld. Dass in London deutlich schneller gelaufen wird als es der Niederösterreicher bei seinem ersten 10.000m-Rennen in dieser Saison laufen kann, dafür werden neben Europameister Amdouni, allen voran der EM-Dritte Yemaneberhan Crippa, der Belgier Soufiane Bouchikhi, sowie die Türken Ali und Aras Kaya. Der ehemalige Marathon-Europameister und der ehemalige Marathon-Europarekordhalter Sondre Nordstad Moen zählen übrigens nicht zum unmittelbaren Kreis der Favoriten auf den Sieg. Zu den Mitstreitern Vojtas gehören mit Sebastian Hendel, Amanal Petros und Simon Boch gleich drei deutsche Läufer. Vorjahressieger Richard Ringer und der Schweizer Julien Wanders weilen in Lausanne, wo sie tags zuvor als einzige Europäer den 5.000m-Lauf bestreiten (siehe RunAustria-Vorbericht zur Athletissima).
Listabarth verfügt über eine persönliche Bestleistung von 29:20,85 Minuten und liegt mit dieser Leistung ebenfalls im Mittelfeld seines Laufs. Die bekanntesten Läufer im B-Lauf sind die Marathon-Spezialisten Philipp Pflieger und David Nilsson aus Schweden sowie der Halbmarathon-Spezialist Roman Romaneko aus der Ukraine. Der Italiener Said El Otmani, der in diesem Frühjahr nicht nur im Halbmarathon, sondern auch beim Diamond-League-Meeting in Rabat über 5.000m überzeugte, und der im Winter in Cross- und Halbmarathonläufen starke Schwede Robel Fsiha sind weitere Zeugen dafür, dass auch im B-Lauf hohe Qualität steckt. Neben Pflieger ist Samuel Fitwi, Crosslauf-EM-Medaillengewinner in der Altersklasse U23, der zweite Deutsche im Feld, die Schweiz vertreten Eric Rüttimann, Sullivan Brunet und Patrick Wägeli.
 

Stephan Listabarth beim Vienna 10K im Rahmen des Vienna City Marathon. © VCM / Victah Sailer
 

Chemtai-Salpeters Rückkehr als Europameisterin

Der Sieg beim Europacup 2018 war für Lonah Chemtai-Salpeter der Auftakt zu einer unglaublichen Serie an Top-Leistungen. Dem EM-Titel von Berlin im 10.000m-Lauf folgten diverse Verbesserungen israelischer Rekorde im Straßenlauf. Höhepunkt waren die zweitbeste europäische Halbmarathon-Zeit der Geschichte beim Halbmarathon in Prag und der Sieg beim Prag Marathon Anfang Mai in der unglaublichen Zeit von 2:19:46 Stunden. Die aus Kenia stammende Israelin kehrt also als völlig andere Läuferin nach London zurück. Alles andere als ein klarer Sieg und eine Verbesserung des Landesrekords wären bei der Preisklasse der 30-Jährigen eine Enttäuschung.
Auch bei den Frauen nutzen zahlreiche europäische Top-Läuferinnen die attraktive Startgelegenheit. Ins Auge stechen die portugiesischen Langstreckenspezialistinnen Jessica Augusto, Sara Moreira, Ana Dulce Felix und Carla Salomé Rocha. Dazu kommen die Italienerin Sara Dossena, die in diesem Frühjahr ihre Marathon-Bestleistung deutlich steigern konnte, der irische Routinier Fionnuala McCormack, die Holländerin Jip Vastenburg, die Schottin Eilish McColgan, die zuletzt gute Form aufwies, und ihre Landsfrau Steph Twell. Anna Gehring ist die einzige Teilnehmerin im A-Lauf mit deutscher Muttersprache, im B-Lauf mit der belgischen Marathon-Rekordhalterin Nina Lauwaert als prominenteste Läuferin kommt die Schweizerin Nicole Egger dazu. Das WM-Limit für Doha liegt bei den Frauen übrigens bei einer Zeit von 31:50,00 Minuten. Die in London abwesenden Sifan Hassan, die deutsche Meisterin Alina Reh und die Holländerin Susan Krumins haben diese Marke 2019 bereits unterboten.
Österreichs 10.000m-Staatsmeisterin Julia Mayer (DSG Wien) startet wie ihr Vereinskollege Timon Theuer im Rahmenprogramm. Beide greifen ihre Bestleistungen an.
 

Qualifikationszeitraum für Olympia läuft bereits

Wer eine Zeit von unter 27:28,00 Minuten (Männer) oder eine unter 31:25,00 Minuten (Frauen) unterbietet, qualifiziert sich für die Olympischen Spiele 2020. Denn im 10.000m-Lauf läuft der Qualifikationsraum wie etwa auch im Marathon bereits. Die zweite Qualifikationsmöglichkeit bietet sich bekanntermaßen durch die neue Weltrangliste, die aktuell bei den Frauen von zwei Europäerinnen angeführt wird: Sifan Hassan und Lonah Chemtai-Salpeter. Wer die beiden zuletzt bei ihren Wettkämpfen verfolgt hat, wird nicht von einer Sensation sprechen.
 
 
Night of the 10,000 PBs

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