Phänomenaler Europarekord durch Sifan Hassan im Halbmarathon

© Kopenhagen Halbmarathon / Zuzanna Zeminova
Der Schlusspunkt ihrer mit Abstand besten Saison ihrer Laufbahn war die Krönung. Ein echtes Sahnestück. Eine niemals zu erwartende Wunderleistung. Sifan Hassan, die noch nie mit ernstem Hintergedanken einen Halbmarathon bestritten hat, führte in Kopenhagen die versammelte Weltklasse aus Ostafrika – und da waren einige namhafte Athletinnen am Start – am Nasenring durch die 21,0975 Kilometer lange Arena. Jene 25-Jährige, die in diesem Jahr bereits zwei Hallen-WM-Medaillen, einen Europarekord im 5.000m-Lauf und EM-Gold über dieselbe Strecke auf der Habenseite hatte, flog für ein neues Abenteuer nach Dänemark und pulverisierte bei ihrem Profi-Debüt im Halbmarathon auf Anhieb den Europarekord ihrer Landsfrau Lornah Kiplagat. Die mehrfache Weltmeisterin war vor elf Jahren bei den Titelkämpfen in Udine eine Zeit von 1:06:25 Stunden gelaufen. Sifan Hassan war in Kopenhagen sagenhafte 70 Sekunden schneller. Nur der Vollständigkeit halber: Der von European Athletics auf der Website geführte, bisherige Spitzenwert in der ewigen Bestenliste von Paula Radcliffe (1:05:40) wurde auf der nicht regelkonformen Punkt-zu-Punkt-Strecke des Great North Runs erzielt.
Von Null auf Hundert
Sifan Hassan war nicht die einzige, die sich unmittelbar hinter der Ziellinie ungläubig die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Noch einmal, um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen: In ihrem ersten ernsthaften Halbmarathon torpedierte sich die Holländerin auf Anhieb auf Rang acht der ewigen Bestenliste. Bisher waren lediglich Läuferinnen aus Kenia schneller, der Weltrekord von Joyciline Jepkosgei liegt nur 24 Sekunden darunter. Hassans Coach Alberto Salazar, der sie in neue Leistungsdimensionen geführt hat, hatte definitiv recht damit, dass sein Schützling fantastische Fähigkeiten auf den Langdistanzen auf der Straße hat. Ist diese Leistung repräsentativ für die Zukunft, kann Sifan Hassan eine große Nummer im Halbmarathon und Marathon werden, sofern sie sich nach den Olympischen Spielen von Tokio darauf konzentrieren sollte. Auch wenn diese singuläre Traumleistung vorerst nach Bestätigung sehnt.
Melly im direkten Duell chancenlos
Das Besondere an der Leistung der Debütantin: Ihr machte a) das unfassbar hohe Tempo auf den ersten fünf Kilometern mit einer Zwischenzeit von 15:06 Minuten nichts aus und b) setzte sie im Finale noch einen drauf. Mit einer Tempoverschärfung auf den letzten Kilometern hängte sie die kenianische Titelverteidigerin und Favoritin Joan Melly problemlos ab und stürmte zu dieser irren Siegerzeit, die einen Streckenrekord um 56 Sekunden bedeutete. Die Äthiopierin Ababel Yeshaneh lief ebenfalls ein fantastisches Rennen und wurde in persönlicher Bestleistung von 1:05:45 Stunden Zweite. Völlig verdutzt musste sich Melly, die vor dem Rennen noch angekündigt hatte, den Weltrekord angreifen zu wollen, mit Platz drei zufrieden geben. Exakt eine Minute vor ihr war die Sensationssiegerin ins Ziel gestürmt. Das Resultat mit vier Läuferinnen unter 1:06:21 Stunden und acht Läuferinnen unter 1:08 Stunden bedeutete einen neuen Rekord. Noch nie war ein Halbmarathon auf europäischem Boden in der Breite und an der Spitze so hochklassig wie dieses Rennen, das unter nahezu perfekten äußeren Bedingungen über die Bühne ging.
Spannendes und hochklassiges Rennen auch bei den Männern
Eigentlich zielte der Veranstalter auf einen Weltrekord im Männer-Rennen ab. Doch diverse namhafte Absagen im Vorfeld und das kurzfristige Nicht-Antreten von Titelverteidiger und Asien-Rekordhalter Abraham Cheroben machte dieses Unternehmen zur Mission Impossible. Doch der Kopenhagen Halbmarathon 2018 strahlte nicht nur durch ein sensationelles Rennen bei den Frauen, auch jenes der Männer war ein fantastischer Wettkampf auf hohem Niveau. Trotz hohen Tempos von Beginn an lagen noch sechs Läufer gleich auf, als nach 42:02 Minuten die Zwischenzeit bei Kilometer 15 erreicht wurde. In der entscheidenden Phase übernahm der 21-jährige Kenianer Daniel Kipchumba das Zepter und forcierte das Tempo. Abraham Kiptum heftete sich an seine Fersen, vorbei kam er jedoch nicht mehr. Kipchumba stellte seine persönliche Bestleistung von 59:06 Minuten ein, Kiptum folgte drei Sekunden, der Äthiopier Jemal Yimer acht Sekunden später. Auch Yomif Kejelcha, Felix Kibitok und Edwin Kiptoo blieben noch unter 59:30 Minuten, der zweifache Boston-Marathon-Sieger Lelisa Desisa glänzte bei einem gelungenen Formtest in 59:52 Minuten. Kejelcha, einer der besten 3.000m- und 5.000m-Läufer der Welt, durfte sich über eine grandiose Halbmarathon-Premiere freuen – auch wenn sein starkes Debüt im direkten Vergleich zur Wundertat von Sifan Hassan ziemlich verblasste.
22.000 Läuferinnen und Läufer absolvierten am Sonntag den Halbmarathon in der dänischen Hauptstadt.
Ergebnisse Kopenhagen Halbmarathon
Männer
1. Daniel Kipchumba (KEN) 59:06 Minuten
2. Abraham Kiptum (KEN) 59:09 Minuten
3. Jemal Yimer (ETH) 59:14 Minuten
4. Yomif Kejelcha (ETH) 59:17 Minuten
5. Felix Kiibitok (KEN) 59:21 Minuten
6. Edwin Kiptoo (KEN) 59:28 Minuten
7. Lelisa Desisa (ETH) 59:52 Minuten
8. Dominic Kiptarus (KEN) 59:55 Minuten
9. Asefa Negewo (ETH) 1:00:01 Stunden
10. Alexander Mutiso (KEN) 1:00:11 Stunden
…
12. Jorum Okombo (KEN) 1:00:36 Stunden
Frauen
1. Sifan Hassan (NED) 1:05:15 Stunden
2. Ababel Yeshaneh (ETH) 1:05:46 Stunden
3. Joan Melly (KEN) 1:06:15 Stunden
4. Zeineba Yimer (ETH) 1:06:21 Stunden
5. Ruth Chepngetich (KEN) 1:07:02 Stunden
6. Bekelech Gudeta (ETH) 1:07:03 Stunden
7. Hiwot Gebrekidan (ETH) 1:07:36 Stunden
8. Meseret Belete (ETH) 1:07:51 Stunden
9. Meskerem Assefa (ETH) 1:08:34 Stunden
10. Belaynesh Oljira (ETH) 1:08:36 Stunden
Kopenhagen Halbmarathon