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Der London Marathon ist nicht bekannt für kleine Zielsetzungen. In diesem Jahr wagt man sich aber an ein Monument heran – den Weltrekord von Paula Radcliffe, aufgestellt in der britischen Metropole im Jahr 2003. Damals hatte die heute 44-Jährige auf…
Der London Marathon ist nicht bekannt für kleine Zielsetzungen. In diesem Jahr wagt man sich aber an ein Monument heran – den Weltrekord von Paula Radcliffe, aufgestellt in der britischen Metropole im Jahr 2003. Damals hatte die heute 44-Jährige auf ihrem Weg zur Sensationsleistung von 2:15:25 Stunden Unterstützung von männlichen Tempomachern. Seit damals trennte der London Marathon nach amerikanischem Vorbild Frauen- und Männer-Eliterennen und startete jenes der Frauen früher, wodurch nur weibliche Tempomacherinnen in Frage kamen. Bis zum letzten Jahr. Da stürmte die entfesselt laufende Mary Keitany zu einem Weltrekord für reine Frauen-Rennen. 2:17:01 Stunden – so schnell war mit Ausnahme der geschilderten Radcliffe-Leistung nie eine Frau 42,195 Kilometer weit gelaufen. Diese Sternstunde ist dem London Marathon anscheinend nicht genug und so ging die Bekanntgabe der Rückkehr der 36-jährigen Kenianerin einher mit der philosophischen Umkehr. Zurück zu männlichen Lokomotiven und Attacke auf den Weltrekord, der eigentlich für die Ewigkeit gedacht scheint. Mary Keitany vergisst bei keiner Gelegenheit, sich beim Veranstalter für diesen Schritt mächtig zu bedanken.
Männliche Tempomacher als entscheidendes Detail
Bei allen Polemiken in dieser Diskussion sei erwähnt, dass Keitany zu ihrem ohnehin bereits fabulösen Auftritt im letzten Jahr noch über eineinhalb weitere Minuten gutmachen muss, um Radcliffes Weltrekord zu brechen. „Es wird nicht leicht. Es ist schon eine andere Sphäre“, gibt auch die dreifache London-Siegerin zu bedenken. Was eigentlich unmöglich erscheint, wird durch den Optimismus Keitanys und der fast verrückten Entwicklung des Langstreckenlaufs in den letzten Jahren näher an die Realität gebracht. Die männlichen Pacemaker, darunter ihr Ehemann und Coach Charles Koech, sollen, so Keitanys Wunschtraum, den entscheidenden Unterschied machen. Im letzten Jahr war Keitany auf der zweiten Marathon-Hälfte um 3:13 Minuten langsamer als auf der phänomenalen ersten von 1:06:54 Stunden – hier ist also das Potenzial vorhanden, das ausgereizt werden soll. Gleiches Recht und gleiche Chancen für alle – was für Radcliffe 2003 galt, gilt für Keitany 2018. „Ich werde versuchen, in Paulas Fußstapfen zu treten“, so die Titelverteidigerin mit Entschlossenheit.
Tempo in Griff
Eines ist klar: Wenn Mary Keitany wirklich den Weltrekord laufen will, muss sie ein Höllentempo vorlegen. Und das über die gesamte Distanz, nicht wie auf Teilstrecken, wie sie schon bewiesen hat. Den Halbmarathon kann sie unter 1:05 Stunden (PB: 1:04:55 Stunden, gelaufen in Ras Al Khaimah 2018) laufen, das ist eine gute Basis. „Ich denke, ich habe das Tempo unter Kontrolle. Eine systematische Rennplanung ist wichtig.“
Tirunesh Dibaba bläst zur Attacke
Dabei verfolgt die seit Wochen vorangetriebene Zuspitzung auf die Weltrekordjagd von Mary Keitany einen ziemlich unfairen Ansatz. Denn mit Tirunesh Dibaba ist eine Konkurrentin auf mutmaßlicher Augenhöhe am Start, der ebenso wundersame Dinge zuzutrauen sind. Einzig Keitanys irres Solo kaschierte die fast ebenbürtige Leistung der 32-jährigen Äthiopierin, die nach 2:17:56 Stunden im Ziel ankam. Fast noch famoser: In Chicago lief Dibaba gänzlich ohne die Unterstützung von Pacemakern die sechstbeste Zeit der Geschichte: 2:18:31 Stunden. Die Äthiopierin hat bereits angekündigt, Keitany auf Schritt und Tritt verfolgen zu wollen. „Für einen Weltrekord braucht es viele Zutaten. Wenn allesamt aufeinander treffen, werde ich ihn attackieren“, sagt die Weltrekordhalterin im 5.000m-Lauf, die aus einer langen Wettkampfpause kommt. Nach dem Chicago Marathon hat sie zwei Monate lang fast komplett rausgenommen, um optimal zu regenerieren. „Ich weiß, dass ich gut in Form bin. Mehr als auf die Pacemaker freue ich mich auf den harten Wettbewerb mit Mary“, so Dibaba bei der Pressekonferenz angriffig.
Die beste zweite Reihe aller Zeiten
Die beiden Superstars Mary Keitany und Tirunesh Dibaba dominieren die Aufmerksamkeit vor dem Marathon-Highlight des diesjährigen Frühjahrs so sehr, dass sie den Rest des Elitefeldes völlig in den Schatten stellen. Dabei sind bärenstarke Läuferinnen gemeldet, die bei jeder anderen Veranstaltung die Rolle der Top-Favoritin einnehmen könnten. Wodurch der London Marathon der mit Abstand best besetzte Marathon im ersten Halbjahr 2018 ist.
Hinter Keitany und Dibaba bringen sich Gladys Cherono, Mare Dibaba, Brigid Kosgei, Tigist Tufa, Tadelech Bekele, Rose Chelimo und Vivian Cheruiyot in Position – eine unfassbare Startaufstellung. In detaillierter Kurzbeschreibung die Meriten dieser Läuferinnen: Gladys Cherono hat zweimal den Berlin Marathon gewonnen, 2015 in Weltjahresbestleistung. Mare Dibaba ist die Weltmeisterin von 2015 und Olympia-Dritte von 2016, in London ist sie allerdings noch nie über Rang sechs hinausgekommen. London-Debütantin Brigid Kosgei stürmte beim Chicago Marathon 2017 zu einer überlegenen Bestleistung von 2:20:21 Stunden und gewann im Dezember den Honolulu Marathon in einer für die selektive Strecke auf Hawaii unglaublichen Zeit von 2:22:15 Stunden. Tigist Tufa schlug Mary Keitany überraschend beim London Marathon 2015 und wurde im Jahr darauf Zweite. Tadelech Bekele gewann im Vorjahr den Amsterdam Marathon in persönlicher Bestleistung von 2:21:54 Stunden. Rose Chelimo ist die amtierende Weltmeisterin, gekrönt in London. Und Vivian Cheruiyot ist Olympiasiegerin im 5.000m-Lauf, wurde im vergangenen Jahr Vierte und hat ihr Potenzial im Marathon wohl noch nicht völlig ausgeschöpft.
Der RunAustria-Vorbericht auf den London Marathon der Männer folgt morgen
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