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Elf Monate bekam der internationale Laufsport Almaz Ayana nicht zu Gesicht, sie kurierte eine nicht näher definierte Verletzung in ihrer Heimat Äthiopien aus. Ein Jahr ist ihr letzter 10.000m-Lauf her, jener legendäre bei den Olympischen Spielen von Rio, wo sie…
Elf Monate bekam der internationale Laufsport Almaz Ayana nicht zu Gesicht, sie kurierte eine nicht näher definierte Verletzung in ihrer Heimat Äthiopien aus. Ein Jahr ist ihr letzter 10.000m-Lauf her, jener legendäre bei den Olympischen Spielen von Rio, wo sie den Weltrekord pulverisierte. Beim WM-Rennen in London lief die 25-Jährige so, als ob sie nie weg gewesen wäre.
Der einzige Unterschied im Vergleich zu den Olympischen Spielen war die „Pacemakerin“. Während Alice Aprot in Rio die Äthiopierin zum Weltrekord zog, verlief das erste Drittel in London mit einer Läuferin namens Sitora Khamidova aus Usbekistan an der Spitze wenig spektakulär. Nach zehn gemütlichen Laufminuten folgte eine gewaltige Demonstration im Alleingang, die Ayana noch zu einer sensationellen Siegerzeit von 30:16,32 Minuten führte. Dabei lief sie die von Rekord-Weltmeisterin Tirunesh Dibaba angeführte Konkurrenz in Grund und Boden und legte unfassbare 46 Sekunden zwischen sich und der wohl besten Langstreckenläuferin aller Zeiten, die erst ihre zweite Niederlage überhaupt über 10.000m erlitt. Ein Klassenunterschied, der bei der ausländischen Konkurrenz für Kopfschütteln sorgte. Argwöhnische Äußerungen danach, wie zum Beispiel von US-Rekordhalterin Molly Huddle, waren die Folge.
Kein Kraftsparen
Eine Machtdemonstration der seltenen Art, die beim für die begeisterten Zuschauer im ausverkauften Olympiastadion willkommenen Spektakel auch Unverständnis hervorrief. Erstens aufgrund des Klassenunterschieds zwischen Ayana und dem Rest der Welt und zweitens aufgrund der zweifelhaften Notwendigkeit. Hinblicklich ihres geplanten Antritts im 5.000m-Lauf am kommenden Wochenende inklusive Vorlauf zu Wochenmitte hätte sie Kraft sparen können, denn auch mit 0,01 Sekunden Vorsprung hätte es die Goldmedaille gegeben. Erst recht nach den Erfahrungen von Rio, als sie nach der unfassbaren Husarenritt im 10.000m-Lauf in ihrer eigentlichen Paradedisziplin einging und sich mit Bronze zufrieden geben musste. Außerdem waren nach der Anfangsphase sowohl Weltrekord als auch Meisterschaftsrekord bereits außer Reichweite. Immerhin: In London gibt’s im einen Regenerationstag mehr als in Rio…
Raketenzündung nach Bummelstart
Für Liebhaber der Statistik hat sich die phänomenale Sololeistung gelohnt. Das zweite und dritte Renndrittel verlief vergleichbar mit Olympia 2016. Als Ayana, ein Schützling des erfolgreichen holländischen Managers Jos Hermens, nach einem Drittel antrat, drückte sie ab Kilometer vier sechs Kilometerabschnitte unter drei Minuten in die Bahn des Olympiastadions. Der schnellste war der fünfte Kilometer (2:49), als sie die Konkurrenz entnervte, der zweitschnellste der finale (2:50), der langsamste dieser Phase der vorletzte (2:56). Dagegen wirken die ersten vier Kilometerabschnitte des Laufs, 3:30 – 3:18 – 3:11 – 3:03, aus einem anderen Rennen. Aus diesen Zahlen ergibt sich ein deutlicher Negativ-Split. Die zweite Rennhälfte absolvierte Ayana in einer unglaublichen Zeit von 14:24,94 Minuten (ihr WM-Rekord im 5.000m-Lauf lautet 14:26,86 Minuten!). Nur acht (!) Läuferinnen waren über 5.000m jemals schneller!
Dibaba gewinnt Kampf um Silber
Es war beeindruckend zu sehen, wie sich der Abstand von Ayana auf die Verfolgergruppe mit den drei Kenianerinnen und der dreifachen Weltmeisterin Tirunesh Dibaba sukzessive vergrößerte. Pro Kilometer um rund zehn Sekunden. Am Ende waren es unglaubliche 46. Tirunesh Dibaba unternahm nie einen Anlauf, die Herausforderung Ayanas anzunehmen („Wenn ich das getan hätte, hätte ich keine Medaille gewonnen.“). Sie wusste, dass sie ihre Landsfrau nicht schlagen konnte. Und so konzentrierte sich die 32-Jährige auf das Wesentliche und gewann den Kampf um die Silbermedaille in einer Zeit von 31:02,69 Minuten vor der besten Kenianerin Agnes Tirop. Die Crosslauf-Weltmeisterin von 2015 und diesjährige kenianische Meisterin gewann in persönlicher Bestleistung von 31:03,50 Minuten ihre erste WM-Medaille im Stadion. Beide die nächsten Zeugen des WM-Rennens über 10.000m mit dem größten Abstand zwischen den ersten beiden Plätzen aller Zeiten. Die umstrittene Chinesin Wang Junxia gewann 1993 in Stuttgart mit dem Vorsprung von 23 Sekunden auf ihre Landsfrau Zhong Huandi, die Britin Liz McColgan hatte zwei Jahre zuvor 21 Sekunden Vorsprung ebenfalls auf Zhong.
Can bricht ein
Alice Aprot belegte wie bei den Olympischen Spielen den vierten Platz, die dritte Kenianerin Irene Cheptai, amtierende Crosslauf-Weltmeisterin, fiel im Finale auf Rang sieben zurück. Als Ayana antrat, war Europameisterin Yasemin Can die einzige, die versuchte zu folgen. Eine Entscheidung, die sie später bitter bereute. Eingangs der vorletzten Runde verlor die in Kenia geborene und lebende Türkin den Kontakt zur Verfolgergruppe um Dibaba, worauf die Energie völlig flöten ging. 100 Meter vor dem Ziel bestrafte die neue Weltmeisterin Can mit einer Überrundung ab. Die Türkin wurde am Ende nur Elfte und lieferte die Enttäuschung des Rennens.
Sensationsergebnis von Krumins
Abseits der wie immer auf den Langstrecken dominierenden Afrikanerinnen gab es auch eine europäische Erfolgsmeldung. Die Niederländerin Susan Krumins kam auf dem hervorragenden fünften Platz ins Ziel und verbesserte ihre zwei Jahre alte Bestleistung um fast zwölf Sekunden auf eine Marke von 31:20,24 Minuten. Nur einmal war eine Holländerin besser, Lornah Kiplagat belegte 2003 bei der WM in Paris den vierten Platz. Krumins gewann den Schlussspurt übrigens gegen die beste US-Amerikanerin Emily Infeld, die zwei Jahre nach ihrer überraschenden Bronzemedaille von Peking ebenfalls eine persönliche Bestleistung erzielte.
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