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Triumph für Mo Farah in hochspannendem 10.000m-Lauf
Ein ohrenbetäubender Lärm begleitete die Schlussphase des ersten großen Höhepunkts der 16. IAAF Weltmeisterschaften im vollbesetzten Olympiastadion von London. Ein würdiger Rahmen eines grandiosen Rennens, in dem Mo Farah ein weiteres Meisterstück fabrizierte. Selten haben ihn seine Gegner zu einer…
Ein ohrenbetäubender Lärm begleitete die Schlussphase des ersten großen Höhepunkts der 16. IAAF Weltmeisterschaften im vollbesetzten Olympiastadion von London. Ein würdiger Rahmen eines grandiosen Rennens, in dem Mo Farah ein weiteres Meisterstück fabrizierte. Selten haben ihn seine Gegner zu einer so schnellen Zeit gezwungen, doch der große Meister blieb seiner Linie treu und spielte seine Überlegenheit in der Schlussphase aus. Die Tempoverschärfung 100 Meter vor dem Ziel brachte die endgültige Vorentscheidung. Als die Uhr bei einer Zeit von 26:49,51 Minuten stehen blieb, war das Werk vollbracht. Seiner Schlussrunde in einer Zeit von 55,63 Sekunden (ca. das, was Experten im Vorfeld vom 34-Jährigen erwartet haben) konnte kein Konkurrent etwas entgegensetzen. Mo Farah feierte seinen sechsten Weltmeistertitel, den zehnten globalen Titel insgesamt, so emotional wie selten zuvor. Gemeinsam mit Ehefrau Tania und seinen Kindern ging er auf die Ehrenrunde, 60.000 Zuschauer hörten nicht mehr auf zu applaudieren. Es war der verdiente Lohn des härtesten Rennens seiner Karriere, wie Farah im Eurosport-Interview nach dem Rennen sagte.
Bis auf drei Sekunden musste der 34-Jährige an seine persönliche Bestleistung heranlaufen, die bereits sechs Jahre alt ist. „Die Zeit lügt nicht. Meine Rivalen hatten einen klaren Plan“, analysierte er. Nur drei Sekunden fehlten im Ziel auf den Meisterschaftsrekord von Kenenisa Bekele, eine Weltjahresbestleistung war Ehrensache. Silbermedaillengewinner Joshua Cheptegei, eines der größten Talente im Langstreckenlauf und erneut der Kenianer Paul Tanui hatten den Briten zur Höchstleistung getrieben und der große Meister hielt der Herausforderung stand. Fast das komplette Stadion wartete die rund 20 Minuten zwischen Zieleinlauf und Siegerehrung, um gemeinsam mit Mo Farah „God save the Queen“ zu genießen. Eines war glasklar: Mo Farah hat viele Siege in seiner Karriere gefeiert, dieser nimmt aber einen besonderen Stellenwert ein.
Ein Rennen, das alles hatte – inklusive Schrecksekunde
Selten war in den letzten Jahren ein 10.000m-Lauf so spannend wie dieser. Noch nie hatte eine Disziplin, die viele bereits zum Tode verurteilt haben, ein derartig stimmungsvollen Rahmen. Als der Lokalmatador die Bühne betrat, brach euphorischer Jubel aus. Der nächste akustische Schwall erfolgte, als der Star vor laufender Kamera vorgestellt wurde – bestens gelaunt. Dann begann ein Rennen, das alles hatte und in dem Mo Farah alles erlebte. Ein furioses Anfangstempo des Uganders Joshua Cheptegei, das er mit stoischer Ruhe quittierte. Ein kurzer Anfall des Zorns, als der mit knallroten Laufschuhen seines Sponsors ausgestattete Brite nach zehn Runden dass kurz leiser werdende Publikum gestenreich zur Unterstützung animierte. Mit all seiner Routine versuchte er das unrhythmische Tempo an der Spitze mit Tempoverschärfungen zwischendurch auszugleichen und zeigte Präsenz, sobald es nötig war. Beides gelang hervorragend. Und als die heiße Phase des Rennens begann, übernahm Farah rechtzeitig die Führung und gab sie nicht mehr ab, auch wenn er nicht mehr den phänomenalen Kick auf der letzten Runde abrufen kann wie in etwas jüngeren Jahren.
Fünf Jahre nach den grandiosen Olympischen Erfolgen in „seinem Wohnzimmer“ gab es eine schwerwiegende Schrecksekunde zu überstehen. Kurz nachdem ihm bereits ein Konkurrent leicht an der Ferse entwischt hatte, kam es zur Berührung der beiden führenden Mo Farah und Paul Tanui. Der Kontakt des Kenianers brachte Farah ins Straucheln, mit Mühe und viel Körperbeherrschung hielt der Brite die Balance, übertrat jedoch die innere Begrenzung, was das Gespenst einer drohenden Qualifikation weckte. Da aber ein Körperkontakt ausschlaggebend war, war die Situation eher ein Nachteil als ein Vorteil für Farah. Der nun sechsfache Weltmeister steckte den Schockmoment weg und ließ sich nicht beirren. Der Rest war nur mehr die dunkelrote Kirsche auf dem Sahnehäubchen einer fantastischen ersten Medaillenentscheidung dieser Titelkämpfe.
Mit massiver Bestleistung zu Silber
Bei den Crosslauf-Weltmeisterschaften in seiner Heimat Uganda war Joshua Cheptegei im März mit Gold vor den Augen beispiellos eingebrochen und hat sich eine bittere Niederlage eingefangen. In London demonstrierte der 20-Jährige allerdings, dass er eines der größten Talente im Langstreckenlauf auf der Bahn ist. Um über 20 Sekunden blieb er unter seiner bisherigen Bestleistung, um in einer Zeit von 26:49,94 Minuten die Silbermedaille zu gewinnen und vom gewaltigen Rückschlag von Kampala wieder aufzustehen. „Ich habe Wochen gebraucht, bis ich dieses Erlebnis verarbeitet habe“, gab er Einblick in seine vergangene Gefühlswelt, „Ich habe wochenlang mein Haus nicht verlassen. Ich war das Mitleid der Leute einfach leid.“ Auch in seinem Fall die Früchte harter Arbeit. Keiner hat so viel Zeit an der Spitze des Feldes verbracht wie er und keiner kam im Finale mit einem engagierten Spurt Farah so nahe, auch wenn der Sieg des Briten deutlicher ausfiel, als der Zeitunterschied es aussagt.
Kenianer mit Minimalziel
Zwischendurch entstand der Eindruck, es hätte sich eine Allianz zwischen den Läufern aus Kenia und Uganda gegen Farah gebildet. Doch die zwischenzeitliche Einigkeit war nicht fundiert genug und so verzweifelte etwa Cheptegei nach einigen Kilometern an der Spitze, als er unbedingt abgelöst werden wollte und keiner das Ruder übernahm. Die Kenianer zeigten sich nur sporadisch mit viel Schwung an der Spitze, Vize-Weltmeister Geoffrey Kamworor erstmals nach nur eineinhalb Kilometern. Im Finale konnte der Crosslauf-Weltmeister, der im Winter einen schweren Autounfall erlitten hatte, nicht mehr zulegen und spielte schlussendlich als Sechster keine große Rolle. Stark zeigte sich Bedan Karoki, dessen Schwager im vergangenen Jahr bei einem Marathonlauf in Kenia verstarb. Trotz einer leichten Verbesserung seiner persönlichen Bestleistung musste er wie schon vor zwei Jahren mit dem unglücklichen vierten Platz Vorlieb nehmen. Seine Zeit hätte bei allen vergangenen Weltmeisterschaften für eine Medaille gereicht. Und so waren die erfolgsverwöhnten Kenianer gezwungen, sich wieder einmal auf Paul Tanui verlassen, der eine ähnliche Serie wie Mo Farah hinlegt – halt eine Klasse tiefer. Bei allen drei WM-Titeln des Briten im 10.000m-Lauf stand der 26-Jährige als Bronzemedaillengewinner neben dem Superstar auf dem Stockerl. Auch eine Art „Mr. Zuverlässig“. „Die letzte Runde war extrem hart. Ich hatte wirklich nichts mehr draufzupacken. Ich habe kein so schnelles Rennen erwartet“, analysierte der Kenianer nach dem Rennen.
Zwölfmal Bestleistung
Wie schnell das WM-Rennen von London war und dass das Feld geschlossen alles aus sich herausholte, belegen zwei Landesrekorde durch Mohammed Ahmed aus Kanada auf Rang acht und dem ehemaligen Kenianer Abraham Cheroben für den Bahrain auf Rang zwölf sowie zehn weitere persönliche Bestleistungen. Als bester Äthiopier kam übrigens nicht der drei Runden vor Schluss in Führung gelegene Ababi Hadis (Siebter), sondern Jemal Yimer als starker Fünfter ins Ziel. Die einzigen beiden Nicht-Afrikaner in den Top-Ten neben dem alten und neuen Weltmeister waren Mo Ahmed und der US-Amerikaner Shadrack Kipchirchir, US-Meister Hassan Mead belegte trotz „Hausrekord“ nur Rang 15. Der zweite Europäer, Polat Kemboi Arikan beendete das Rennen nicht.
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