„Breaking-2“: Showdown im Autodromo di Monza

© Chris Lawrence
Nike hat den Angriff auf die Zwei-Stunden-Marke über die Marathondistanz für dieses Frühjahr angekündigt, seit kurzem sind weitere Details bekannt. Das auf Eliud Kipchoge in Zusammenarbeit mit Leslisa Desisa und Zersenay Tadese maßgeschneiderte Rennen soll im Mai auf dem Autodromo di Monza nördlich von Mailand stattfinden. Die legendäre Rennstrecke ist jährlich unter anderem Gastgeber des schnellsten Formel-1-Rennens der Welt, überzeugte Nike wohl aufgrund seiner großzügigen Streckenbeschaffenheit, der bewaldeten Umgebung und der Kurvenarmut der Strecke. Ein gänzlich ebener, 2,4 Kilometer langer Rundkurs, also lediglich ein Teil der Rennstrecke, soll für den historischen sub-2-Versuch dienen.
Gelungener Test
Ein Testrennen über die Distanz eines Halbmarathons der drei Athleten in Monza ist Anfang der Woche gelungen, auch wenn der starke Wind störte. „Deshalb habe ich heute auch nicht mehr als 60% gegeben“, erklärte Eliud Kipchoge nach dem Rennen. Da dürfte wohl eine ordentliche Portion Übertreibung dabei gewesen sein, denn die von einem Pacemaker-Team unterstützte Laufzeit von 59:17 Minuten (inoffiziell) liegt acht Sekunden unterhalb seiner persönlichen Bestleistung. Tadese erreichte die Ziellinie nach 59:41 Minuten. Nicht in bester Form schien Lelisa Desisa, der ab der Rennhälfte zurückfiel und erst nach 1:02:55 Stunden im Ziel war.
Die Athletengruppe folgte einem Auto, das sie ständig mit Informationen über Laufzeiten, Zwischenzeiten und der prognostizierten Zielzeit versorgte. Interessant war auch die taktische Formation, die das Feld einnahm. Ein 1-2-3-2-1, von oben gesehen eine Form eines Diamanten. Dabei hielt sich Kipchoge logischerweise hinten auf um den maximalen Windschatten zu genießen. Auf der letzten 2,4 Kilometer langen Runde waren Kipchoge und Tadese dann alleine. Anschließend an den Test gab sich Kipchoge zuversichtlich, im Mai die Schallmauer von zwei Stunden zu erreichen und einen neuen Meilenstein im Laufsport setzen zu können – wenn auch fernab einer offiziellen Marathon-Veranstaltung.
Nike Zoom Vaporfly Elite – der „Breaking 2“-Schuh

Karbonfaster als Wunderwaffe
Diese hohe Festigkeit soll ein ultraleichtes und sehr steifes Karbon-Element garantieren, dass sich über die gesamte Zwischensohle erstreckt. Durch die optimierte Abrollbewegung über den Vorfuß habe man laut des Feedbacks eines Athleten das Gefühl, ständig bergab zu laufen. Da ein derartiges Karbon-Element eine Innovation darstellt, gibt es erste Experten-Stimmen, die eine Feder-Wirkung befürchten. Sollte dem so sein, würde sich Nike in einer Grauzone der IAAF-Regelung bewegen, die vor einigen Jahren in der Diskussion um Paralympic-Star Oscar Pistorius unter viel Kritik verändert worden ist. Damals wurde der direkte Passus, dass Federwirkung verboten ist, in eine indirektere Fassung umformuliert. Eine Grauzone ergibt sich sowieso, da heute jede Zwischensohle eines qualitativen Laufschuhs eine Art Federwirkung erzeugt, um die Laufbewegung bestmöglich zu unterstützen. Laut „Runnersworld.com“ zeigt eine aktuelle Studie aus Südkorea auf, dass Karbonfasterplatten in Zwischensohlen von Laufschuhen die Laufökonomie deutlich erhöhen können. Diesen Ansatz verfolgt Nike im neuen Nike Zoom Vaporflyte Elite, ein Laufschuh, der niemals auf den freien Markt kommen wird.
Befunde aus Trainingslagern
Auch sportlich betreibt Nike eine konzeptionelle Vorbereitung. Sowohl was die optimalen Rahmenbedingungen beim Versuchsrennen betrifft als auch die sportliche Vorbereitung. Nike-Wissenschaflter besuchten Kipchoge, Desisa und Tadese über mehreren Wochen auf Trainingslagern in Kenia, Äthiopien bzw. Spanien (wo Tadese häufig trainiert), um weitere Informationen zum Trainingsalltag und zum aktuellen Leistungsniveau der drei Athleten zu erfahren. Daraus sollen wichtige Schlüsse gezogen werden – auch was die Ernährung betrifft.
Genauer Termin wird kurzfristig bekannt gegeben
Wann genau der Nike-Breaking-2-Lauf durchgeführt werden soll, steht noch nicht fest. „Wir werden ein relativ großes Zeitfenster bestimmen und die Startzeit festlegen, sobald wir absehen können, dass dann die Bedingungen optimal sind“, erklärt Brad Wilkins, Leiter des Projekts „Breaking 2“. 12°C wurde als optimale Temperatur ermittelt, die im Mai an einer frühen Tageszeit in Monza herrschen soll. Für einen Rundkurs entschied man sich dank der Möglichkeiten „genau zu analysieren, was im Rennen passiert und darauf zu reagieren.“ Ganz im Stile eines Kommandostands bei einem Formel-1-Rennen. An zu geringer Datenmenge wird das Projekt nicht scheitern, alle 200 Meter soll es Zwischenzeiten geben, damit das Team jederzeit exakt weiß, wie zielführend man auf Kurs ist.
Ambitioniertes Projekt, aber realisierbar
Mit großem Engagement und Sorgfalt geht Nike an das Projekt „Breaking 2“ heran, nichts soll dem Zufall überlassen werden. Einige Sportwissenschaftler und Experten äußerten sich nach dem Testrennen am Dienstag zuversichtlich, dass das Nike-Team unter den gewünschten Umständen die Zeit von zwei Stunden mit Eliud Kipchoge an der Spitze unterbieten könnte. Eine Studie der University of Colorado hat bereits vor einigen Wochen die Verbesserung des aktuellen Weltrekords von Dennis Kimetto um 2,5% (das ist notwendig für eine Zeit von 1:59:59 Stunden, Anm.) für realisierbar erklärt, insbesondere durch zusätzliche Energieersparung, eine bessere Laufökonomie und eine optimierte Streckenführung.
Die ganze Laufwelt diskutiert aktuell, ob ein Marathonlauf unter zwei Stunden möglich ist, zumindest bei einem maßgeschneiderten Rennen. In die Diskussion hat sich nun der mittlerweile zurückgetretene US-Rekordhalter Ryan Hall mit einem Störgeräusch eingemischt. „Wenn man einen Läufer, der eine 2:03er Zeit laufen kann, auf ein Laufband stellt kann er bei guter Temperatur locker unter zwei Stunden laufen. Am Laufband hast du perfektes Pacing und keinen Wind.“ Hall glaubt, einen Marathonlauf unter zwei Stunden bei einem Marathon noch in seiner Lebenszeit zu erleben, allerdings nicht in absehbarer Zeit. Davor dürfte der Halbmarathon-Weltrekord massiv verbessert werden.