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Jeder Pokerspieler wünscht sich ein Blatt mit zwei Assen in der Hand, die mit zwei weiteren Assen aus den gemeinsamen Spielkarten am Tisch ergänzt werden (Texas Holdem). Statistisch gesehen, eine Ausnahmeverteilung. Für ein Marathon-Ass wie Wilson Kipsang ist es eine…
Jeder Pokerspieler wünscht sich ein Blatt mit zwei Assen in der Hand, die mit zwei weiteren Assen aus den gemeinsamen Spielkarten am Tisch ergänzt werden (Texas Holdem). Statistisch gesehen, eine Ausnahmeverteilung. Für ein Marathon-Ass wie Wilson Kipsang ist es eine Ausnahmeleistung, vier Leistungen von unter 2:04 Stunden zu erbringen. Während der Assen-Poker auch ohne dezidierte statistisch Ermittlung schon häufig aufgetreten ist, sind vier Marathons in dieser Geschwindigkeit ein Novum in der Sportgeschichte. 2:03:13 Stunden in Berlin 2016, 2:03:23 Stunden in Berlin 2013 (ein Jahr lang Weltrekord), 2:03:42 Stunden in Frankfurt 2011 und nun die 2:03:58 Stunden in Tokio 2017. Diese Zeit bedeutet einen deutlichen neuen Streckenrekord und die schnellste Marathonzeit auf asiatischem Boden aller Zeiten. Dass der 34-jährige Wilson Kipsang der konstanteste Weltklasse-Marathonläufer aller Zeiten ist, untermauern auch vier weitere Leistungen unter 2:05 Stunden. Im Vergleich: Kein Läufer außer Kipsang hat bisher mehr als zwei Marathons unter 2:04 Stunden und mehr als fünf Marathons unter 2:05 Stunden bestritten.
Neue Strecke deutlich schneller
Sämtliche Träume des Veranstalters des Tokio Marathon erfüllten sich, die neue Streckenführung hatte die erwünschten Effekte zur Folge. Eine Siegerzeit von unter 2:20 Stunden bei den Damen und eine um fast zwei Minuten verbesserter Streckenrekord bei den Herren. Mit einer Rekordzeit von 2:03:58 Stunden liegt der Tokio Marathon unter den elitären sechs Marathonläufen der World Marathon Majors nun knapp hinter dem Chicago Marathon. In dieser Hinsicht ist der Berlin Marathon als Weltrekordstrecke das Nonplusultra, knapp gefolgt vom London Marathon. „Das hier ist eine der schnellsten Strecken der Welt“, stellte Kipsang fest.
Weltrekordtempo von Beginn an
Eine schnelle Strecke ist nur eine Zutat zu einer Weltklasseleistung. Den wesentlich größeren Teil gilt es, vom Sportler selbst umzumünzen. Und Wilson Kipsang nutzte die guten äußeren Bedingungen und die hervorragende Arbeit der Pacemaker optimal aus. Dem angekündigten Weltrekordtempo folgte in der Tat eine rasante erste Marathonhälfte. Die Spitze passierte den Halbmarathon in einer Zeit von 1:01:22 Stunden – etwas schneller, als der Star bestimmt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kipsang neben den Tempomachern noch drei Begleiter, ein Quartett um Alfers Lagat und Bernard Kipyego folgte mit geringem Rückstand.
Ausscheidungsrennen
Nicht alle in der Spitze konnten mit der sehr schnellen ersten Hälfte richtig umgehen. Erst brach Evans Chebet, 2016 der einzige Läufer der Welt, der zweimal unter 2:06 Stunden gelaufen ist, weg, wenig später folgte Gideon Kipketer. Bei Kilometer 30 hatte Kipsang mit Streckenrekordhalter Dickson Chumba nur mehr einen Begleiter, die Zwischenzeit von 1:27:27 Stunden lag nur 14 Sekunden hinter der Rekord-Durchgangszeit in London 2016, eine Sekunde hinter jener im Herbst in Berlin. Kipsangs „Problem“ im Vergleich zu Berlin 2016 war allerdings jenes, dass er nur mehr alleine war. Chumba hielt zwar den Kontakt bis Kilometer 35 mit sehr viel Mühe, konnte aber nichts mehr zu einem schnellen Rennen beitragen. Danach ging der Sieger von 2015 komplett ein und musste im Finale noch Gideon Kipketer passieren lassen.
Schnellster Marathon auf asiatischem Boden
Die Kilometerabschnitte zwischen Kilometer 30 und Kilometer 40 waren die langsamsten des Rennens. Der Traum von einem neuen Weltrekord war längst ausgeträumt, für den Solisten an der Spitze ging es „nur“ noch um eine Zeit unter 2:04 Stunden. „Ich habe bis zum Schluss gepuscht. Ich habe gemerkt, dass sich eine 2:03er Zeit ausgeht“, so der mit dem neuen adidas adizero Sub2 (siehe RunAustria-Bericht) ausgestattete Kipsang später. Und die konnte der Routinier aus Kenia realisieren, zum 13. Mal, wenn man alle auf rekordtauglichen Marathonstrecken erzielten Zeiten zusammenzählt. Auf asiatischem wie auch Tokioter Boden war niemals zuvor ein Athlet so schnell gelaufen. „Ich habe mich exzellent gefühlt. Die Strecke ist eine großartige“, lobte der Sieger nach dem Rennen. „Schade, dass es etwas windig war.“ Die bisher schnellste Marathonleistung auf asiatischem Boden stammt von diesjährigen Dubai Marathon, wo Tamirat Tola in der bisherigen Weltjahresbestleistung von 2:04:11 Stunden siegen konnte. Auf japanischem Boden war noch nie ein Läufer unter 2:05 Stunden gelaufen.
Eines der großen Ziele Wilson Kipsangs bis zu seinem Karriereende ist ein Sieg bei allen World Marathon Majors. Mit Tokio konnte er nach Berlin, London und New York Nummer vier abhaken, es fehlen noch die Klassiker in Boston und Chicago in dieser Liste. Nach seinen fantastischen Leistungen im Herbst in Berlin und nun in Tokio scheint beides nicht aus der Welt, auch wenn Kipsang im März seinen bereits 35. Geburtstag feiert.
Kipketer mit Hausrekord vorbei an Chumba
Zwar lenkte Wilson Kipsang dank seiner außergewöhnlichen Leistung das Scheinwerferlicht auf sich. Doch auch hinter ihm wurden teilweise grandiose Leistungen erzielt. Der zweitplatzierte Gideon Kipketer steigerte seine persönliche Bestleistung um knapp zweieinhalb Minuten und belegte in einer Zeit von 2:05:51 Stunden den zweiten Platz. Dickson Chumbas erneuter Podestplatz in einer Leistung von 2:06:25 Stunden kann trotz des Verlusts seines Streckenrekords keinesfalls als Enttäuschung angesehen werden, zumal er mit einem kämpferischen Auftritt so lange wie es ging an Kipsang dranblieb, ehe die Kräfte schwanden.
Starke Japaner
Die schnelle neue Strecke produzierte zahlreiche hochkarätige Zeiten. Nicht weniger als 13 Läufer bleiben unter 2:10 Stunden, darunter mit dem bis dato kaum bekannten 23-jährigen Hiroto Inoue, Routinier Hiroyuki Yamamoto, Yuto Shitara und Yuma Hattori gleich vier Japaner – allesamt mit persönlichen Bestleistungen. Diese Leistungen beweisen erneut die unheimliche Dichte an Klasseläufern in Japan, wo nur die eine herausragende Leistung in Richtung absolute Weltklasse fehlt. Aber abgesehen von den beiden ostafrikanischen Laufhochburgen wäre jede Laufnation der Welt stolz auf diese Dichte.
Der Vorjahreszweite Bernard Kipyego musste sich mit Rang sechs zufrieden geben, der Äthiopier Tsegaye Kebede, der ehemals den Ruf des konstantesten Spitzenläufers inne hatte, musste mit Rang neun Vorlieb nehmen. Angesichts dieser großartigen Leistungsdichte blieb Debütant Andrew Bumbalough aus den USA in einer ordentlichen Premierenleistung von 2:13:58 Stunden lediglich Rang 25.
Der RunAustria-Bericht des Damen-Rennens: Absurde Leistungsexplosion durch Sarah Chepchirchir in Tokio
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